Wahlen und Zahlen

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DonJohnny
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Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

Der alte Thread ist ja weg, gut, dass ich die meisten Beiträge noch habe...

Hallo alle zusammen,

Da ja doch gewisses Interesse an den Midtermelections bestand und ich normalerweise recht gut informiert bin biete ich die nächsten zwei Jahre Neuigkeiten und Informationen zu den nächsten wichtigen Wahlen an.

Darüber hinaus dürft ihr euch schon mal auf die Wahlnacht freuen die wir gerne bei mir zu Hause live verfolgen können.

Wann? 03.11.2020

Was steht an?
- Präsidentschaftswahlen. Genau genommen wird am dritten November nur das Wahlmännerkollegium bestimmt. Dessen Zusammensetzung ist aber dafür entscheidend wer ein paar Wochen später zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird. Jeder Staat entsendet eine bestimmte Anzahl an Wahlmännern die mit wenigen Ausnahmen (Nebraska und Maine) nach dem Mehrheitsprinzip vergeben werden (der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Staat erhält alle Wahlmänner). Die Anzahl der Wahlmänner ist von der Einwohnerzahl des Bundestaates abhängig die alle 10 Jahre neu bestimmt wird. Kleine Staaten sind nach dem Berechnungsschlüssel leicht überrepräsentiert.
- Senatswahlen. Der Senat ist das Oberhaus des Kongresses und am ehesten vergleichbar mit dem Bundesrat wobei die Vertreter der Bundesstaaten direkt gewählt werden. Jeder Bundesstaat entsendet 2 Vertreter, unabhängig von seiner Größe, das heißt kleine Staaten sind überrepräsentiert. Die Amtszeit eines Senator beträgt 6 Jahre, alle zwei Jahre wird ein Drittel aller Sitze neu gewählt was bei jeder was zu sehr unterschiedlichen Ausganglagen führt je nachdem welche Staaten gerade an der Reihe sind.
- Repräsentantenhaus: Das Unterhaus des Kongresses, vergleichbar mit dem Bundestag. Jeder Bundestaat ist in Wahlkreise unterteilt die im Schnitt etwa 700.000 Einwohner haben. In jedem Wahlkreis findet eine separate Wahl statt und der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt und wird Abgeordneter für dieses Wahlkreis (im Unterschied zum deutschen Verhältniswahlrecht mit Wahllisten bei dem die Anzahl der Abgeordneten vor allem über an Anteil der erhaltenen Stimmen im ganzen Land bestimmt wird).

Die Ausgangslage?
Parteien: Durch das Mehrheitswahlrecht gibt es in den Vereinigten Staaten zwei Parteien von Bedeutung, die Republikanische Partei (konservativ, wirtschaftsliberal) und die Demokratische Partei (gesellschaftlich liberal, wirtschaftlich sozial). Dritte Parteien spielen eine untergeordnete Rolle, die einzigen zwei die erwähnenswert sind, sind die Grüne Partei und die Libertäre Partei, wenn sie eine Rolle spielen dann oft dadurch, dass sie von einer der zwei großen Parteien Wählerstimmen abziehen und dadurch einen Sieg des Kandidaten verhindern können (Demokraten wandern dann eher zur Grünen Partei und Republikaner eher zur Libertären Partei). Die Republikanische Partei kontrolliert derzeit zwei von drei Machzentren, den Senat und das Weiße Haus, die Demokraten kontrollieren das Repräsentantenhaus. Die Republikanische Partei hat ihre Hochburgen in ländlichen Gebieten und in den konservativen Südstaaten. Wichtige Wählergruppen sind Weiße ohne Collegeabschluss, vor allem Männer, Evangelikale Christen, Reiche, Bewohner von ländlichen Gebieten und Klein/Mittelstädten), die Demokratische Partei hat ihre Hochburgen an der gesamten Westküste, im Nordosten, im den Südwestlichen Gebirgsstaaten und generell in urbanen Gebieten. Wichtige Wählergruppen sind Angehörige von ethnischen Minderheiten (v.a. Schwarze, in geringerem Umfang Asiaten und Latinos), Angehörige sozialer oder religiöser Minderheiten (LGBT, Juden, Muslime, Atheisten) Leute mit Collegeabschluss und hierbei vor allem Frauen, Frauen generell, Einwohner von Großstädten). Die Republikanische Partei ist seit 2016 vollständig die Parteil Donald Trumps mit Ausnahme weniger moderater oder klassisch konservativer Senatoren (wichtige Namen sind hier Sen. Susan Collins (Maine) [Moderat], Sen. Lisa Murkowski (Alaska) [Moderat], Sen. Rand Paul (Kentucky) [Konservativ], Sen. Ben Sasse [Konservativ] und Sen. Mitt Romney (Utah) [Konservativ]). Die Demokratische Partei ist zweigeteilt, zusammenghalten vor allem vom Wiederstand gegen Trump. Zum einen gibt es den Progressiven, linken Flügel vor allem von der Westküste, New York oder Neuengland (wichtige Namen: Sen. Bernie Sanders (Vermont), Sen. Elizabeth Warren (Massachusetts), Rep. Nancy Pelosi (Californien 12), Rep. Alexandria Ocasio-Cortez (New York 14) und ) sowie einen moderaten Flügel (wichtige Namen: Joe Biden (Delaware), Sen. Amy Klobuchar (Minnesota), Sen. Sherrod Brown (Ohio)) und Mitglieder der Partei die sich keinem Flügel zuordnen lassen (Sen. Kamala Harris (Californien), Beto O'Rourke (Texas)).

Präsidentschaftswahl: Donald Trump hat 2016 gegen Hillary Clinton gewonnen wobei das Ergebnis durch das Winner-takes-it-all-Prinzip stark verfälscht wurde. Da Trump einige Staaten im mittleren Westen unerwartet sehr knapp gewonnen hatte konnte er mit einem deutlichen Vorsprung in den Wahlmännerstimmen Präsident werden obwohl er fast drei Millionen Wählerstimmen weniger hatte als Hillary Clinton. Donald Trump hat sowohl historisch schlechte als auch historisch stabile Beliebtheitswerte. Die deutliche Mehrheit der Amerikaner ist gegen ihn oder unentschlossen aber etwa 30% unterstützen ihn ungeachtet einer chaotischen Regierungsführung, von aufkommenden Skandalen oder persönlichem Fehlverhalten. Unter Betrachtung einer im Vergleich zu Deutschland sehr niedrigen Wahlbeteiligung (bei Präsidentschaftswahlen unter 60%) reicht das um konkurrenzfähig zu bleiben wobei der sog. Margin of error aufgrund des knappen Ergebnisses 2016 sehr klein ist und entscheidende Staaten im mittleren Westen in der Stimmung und in den letzten Wahlergebnissen immer mehr in Richtung der Demokraten tendieren. Hinzu kommt dass es republikanisch dominierte Staaten gibt die aufgrund demographischer Verschiebungen immer mehr in Richtung der Demokraten tendieren und die allein aufgrund dieser anhaltenden Entwicklung 2020 nicht für Donald Trump stimmen könnten (am wichtigsten hier vor allem Arizona, weiterhin North Carolina und Georgia, teilweise auch Texas).

==> Der Schlüssel zum Sieg
Donald Trump: Durch kompromisslose Mobilisierung der eigenen Basis es doch wieder schaffen Michigan, Wisconsin und Pennsylvania zu halten, oder Michigan zu verlieren, dafür Minnesota und New Hampshire zu gewinnen.
Demokratischer Kandidat: Rust Belt Strategie (Minnesota halten, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania erobern), Südliche Strategie (Florida, Arizona und Georgia oder North Carolina gewinnen unter Preisgabe Minnesotas).
Chancen für Sieg der Demokraten: Nicht schlecht bis gut

Senatswahlen: Die Demokraten haben bei den Wahlen 2016 netto 2 Sitze verloren obwohl ihnen die landesweite Stimmung sehr gewogen war. Der Grund dafür war, dass die Auswahl der Sitze die zur Wahl standen für die Demokraten sehr ungünstig war, die Demokraten hatten sehr viele Sitze zu verteidigen, darunter verhältnismäßig viele in denen Trump gegen Clinton gewonnen hatte, im Gegenzug dafür gab es kaum Möglichkeiten neue Sitze zu erobern, dies gelang nur in Nevada und Arizona, konnte aber die Verluste der Sitze in North Dakota, Indiana, Missouri und Florida nicht aufwiegen. Trotzdem war das Ergebnis keine Niederlage für die Demokraten da sie es überraschenderweise schafften Sitze in Ohio, Montana, Pennsylvania, West Virginia und Wisconsin zu verteidigen und, wie gesagt, Arizona zu gewinne, alles Staaten in denen Trump gegen Clinton 2016 gewonnen hatte. Die Demokraten verfügen nun über 47 Sitze (inklusive zweier Unabhängiger die stark zu den Demokraten tendieren). Und müssten daher 3 Sitze netto dazugewinnen um bei einer Präsidentschaft der Demokraten den Senat zu kontrollieren (4 wenn Trump Präsident bleibt). 2020 wählen deutlich mehr Staaten die derzeit republikanisch vertreten werden einen Senator als solche die gegenwärtig einen demokratischen Senator haben. Trotzdem haben es die Demokraten schwer da die meisten Staaten als sicher republikanisch gelten, zudem gilt es als fast gesetzt, dass die Demokraten Alabama verlieren werden. Sie müssten also vier Staaten erobern ohne einen weiteren zu verlieren. Sofern es keine großen Überraschungen gibt (über alle Maßen starker demokratischer Kandidat, massiver Skandal eines republikanischen Kandidaten oder Special Elections aufgrund von Rücktritten oder Todesfällen während der Legislatur) kommen gerade 6 oder 7 Staaten überhaupt in Frage (in (stark) absteigender Möglichkeit nach den Chancen der Demokraten: Arizona (Special Election), Maine, Colorado, Iowa, North Carolina, Georgia, Kansas).
Chancen für Sieg der Demokraten: Möglich aber eher unwahrscheinlich
==> Der Schlüssel zum Sieg
Republikaner: Es schaffen, dass möglichst wenige Amtsinhaber 2020 nicht mehr antreten, sich keine schlimmen Skandale leisten und die Verluste gering halten.
Demokraten: Für die einzelnen Staaten perfekt passende Spitzenkandidaten finden und darauf hoffen, dass die Republikaner entweder mit neuen Kandidaten antreten müssen und/oder sich den ein oder anderen Ausrutscher leisten.

Repräsentantenhaus: Die Demokraten konnten in 2018 massive Gewinne feiern die dazu führten, dass sie eine komfortable Mehrheit im Repräsentantenhaus erhalten haben. Wichtigste Bewegung war da Umschwenken von Vorstädten von den Republikanern zu den Demokraten. Teilweise konnten in tiefrotem Gebiet Kandidaten der Demokraten gewinnen wie Kendra Horn in Oklahoma 5 (CPVI R+10), Joe Cunningham in South Carolina (CPVI R+10) und Ben McAdams in Utah 5 (CPVI R+13). In Kalifornien, New York, Pennsylvania, New Jersey, Iowa und Virgina mussten die Republikaner z.T. verheerende Verluste hinnehmen. Das Ende der Fahnenstange scheint aber noch nicht erreicht. Aufgrund der Wählergruppen profitieren die Demokraten deutlich von einer hohen Wahlbeteiligung und diese liegt bei Präsidentschaftswahlen stets deutlich höher als bei den so genannten Midterm-Elections
Chancen für Sieg der Demokraten: Sehr gut bis sicher.
==> Der Schlüssel zum Sieg
Republikaner: Beten und auf ein Wunder wie einen massiven Popularitätsschub ihres Präsidenten hoffen.
Demokraten: Die Stimmung von 2016 aufrecht erhalten und wenn sie das nicht schaffen die Verluste klein halten.

Wichtige Begriffe

Battleground States: Auch Swing State genannt. Das sind solche Staaten in denen der Wahlausgang oft knapp ausfällt. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts wird oft nur in diesen Staaten ernsthafter Wahlkampf betrieben.

Blue State: Staat mit starker Tendenz zu den Demokraten

Coastals: Bewohner der Ballungsräume der Westküste, der nördlichen und mittleren Ostküste so wie Neuenglands und Hawaiis. Überwiegend demokratisch, liberal, global und urban geprägt.

CPVI:
Der Cook Partisan Voter Index ist ein Maß dafür zu welcher Partei ein Staat oder ein Wahlkreis tendiert. Verglichen wird das Ergebnis der letzten beiden Präsidentschaftswahlen mit dem landesweiten Schnitt der letzten beiden Präsidentschaftswahlen. Ein CPVI von R+13 heißt, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat 2012 und 2016 in diesem Gebiet 13 Prozentpunkte besser war als im landesweiten Durchschnitt.

DOJ: Department of Justice (Justizministerium)

Gerrymandering:
Wahlergebnisse verfälschen durch vorteilhaftes Verändern der Wahlkreisgrenzen unter Ausnutzung des Mehrheitswahlrechts.
Beispiel:
Bundestaat XYZ bestehe aus sechs Gebieten gleicher Wählerzahl
Gebiet A: 1000 Stimmen D
Gebiet B: 1000 Stimmen D
Gebiet C: 800 Stimmen D 200 Stimmen R
Gebiet D: 800 Stimmen D 200 Stimmen R
Gebiet E: 1000 Stimmen R
Gebiet F: 1000 Stimmen R

Insgesamt 3600 Stimmen D und 2400 Stimmen R (3 zu 2)

Aufteilung 1
A+C (Sieger D); B+D (Sieger D) und E+F (Sieger R)
2 Sitze D, 1 Sitz R (2 zu 1)
Aufteilung 2
A+B (Sieger D); C+E (Sieger R); D+F (Sieger R)
1 Sitz D, 2 Sitze R (1 zu 2)

Die Aufteilung 2 wäre "gerrymandered" da sie nicht den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen in dem Staat entspricht.

Minority majority state: Staaten in denen weiße Nichtlatinos nicht die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellt, z.B. New Mexico.

POTUS: President of the United States

Purple State: Staat ohne eindeutige politische Ausrichtung

Red State: Staat mit starker Tendenz zu den Republikanern

Running Mate: Vizepräsidentschaftskandidat, oft so ausgewählt, dass eine Schwäche des Hauptkandidaten ausgeglichen wird, der Running Mate aus einem battleground state kommt der dadurch gewonnen werden kann oder der eine bestimmte, wahlentscheidende Wählergruppe mobilisieren kann. Beispiel Joe Biden der Obamas Running Mate war und weiße, männliche Arbeiter mobilisieren sollte.

SCOTUS: Surpreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof)

Special Election: Special Elections werden dann fällig wenn ein Amtsträger vorzeitig ausscheidet. Wann diese stattzufinden haben ist von Staat zu Staat und von Amt zu Amt unterschiedlich, oft werden sie mit zeitnah stattfinden großen Wahlen zusammengelegt wenn das möglich ist.

VP: Vice President
"Und ich vermache meinen 1972er Gran Torino in Freundschaft an Thao Vang Lor. "
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DonJohnny
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

Aktuelle Neuigkeiten:

Martha McSally verliert Senatswahl und wird… …Senatorin
Die beiden Senatssitze von Arizona haben in letzter Zeit einige Wechsel mitgemacht. Arizona, einst ein Staat fest in der Hand der republikanischen Partei. Durch das massive Wachstum des Großraums Phoenix im Maricopa County, und den insgesamt starken Zuzug von Californiern und Latinos wird aus Arizona seit den 2000ern immer mehr ein purple state. Waren 2017 noch die beiden Senatoren John McCain (R) und Jeff Flake (R) im Amt ist Jeff Flake, der zu den Kritikern Trumps gehört, zu den regulären Wahlen 2018 nicht mehr angetreten und John McCain an einem Hirntumor verstorben. Entsprechend den Gesetzen des Staates bestimmt im Falle des Ablebens (oder des Rücktritts) eines Senators der Gouverneur des Staates (Doug Ducey (R)) einen Nachfolger der bis zu nächsten großen Wahl im Amt bleibt und die Amtszeit bis zur nächsten regulären Wahl für diesen Sitz (für John McCains Sitz wäre das 2022)) im Amt bleibt. Als Nachfolger wurde Jon Kyl bestimmt der bereits Senator für Arizona war, sein Amt aber niedergelegt hatte um als Lobbyist zu arbeiten. Die Wahl war eine Notlösung. Einen aussichtsreichen jungen Kandidaten zu suchen hätte die Chancen bei der nächsten Wahl für die Republikaner erhöht diesen Sitz zu halten, allerdings war kein wirklich guter Kandidat verfügbar. Beim Rennen um den Sitz von Jeff Flake setzten sich in den Vorwahlen der Republikaner die Kampfjetpilotin Martha McSally (gegen starke Konkurrenz von Rechtsaußen) und auf Seiten der Demokraten die moderate Kyrsten Sinema durch. Die angedeutet stark rechten Positionen von McSally die sie vertreten hatte um sich gegen die interne Konkurrenz durchzusetzen und die zunehmende Tendenz Arizonas Richtung purple state wurden McSally dann zum Verhängnis. Lange in Führung setzte sich dann gegen Ende der Auszählung Sinema durch. Nun hat jedoch Jon Kyl seinen Interrimssitz wieder niederlegt um als Lobbyist reich zu werden. Ducey hat nun entschieden die Verliererin der Wahl, McSally, zur Nachfolgerin zu ernennen. Nun so scheint es, ist es wohl von Anfang an sein Plan gewesen. Kyl war nur die Zwischenlösung. Hätte McSally gewonnen, hätte Ducey wohl Kelly Ward zur Senatorin ernannt, eine rechte Brandstifterin die derzeit im Senat des Staates Arizona sitzt und in den Vorwahlen die Hauptkonkurrentin McSallys war. So oder so ist es für McSally wohl von an Anfang an eine sichere Sache gewesen. Wohl ein Grund warum sie im Hauptwahlkampf auf die ganz scharfe Rhetorik verzichtet hat. Ob das eine kluge Entscheidung war wird sich zeigen. McSally haftet nun das Label der Verliererin an, zudem werden ihr auch in Zukunft ihre rechten Aussagen im Vorwahlkampf der Wahl von 2018 nachhängen, für 2020 stehen auf Seiten der Demokraten mehrere starke Kandidaten zur Wahl und die Demokraten Arizonas sind noch hochmotiviert nach dem Sieg Sinemas und der Eroberung eines Kongressdistricts dieses Jahr. Demokratische Strategen versuchen für 2020 die Effekte zu bündeln. Eine Möglichkeit einen weiteren Senatssitz gegen jemanden zu ergattern die schon einmal gegen eine Demokratin verloren hat und ein spannender Präsidentschaftswahlkampf könnten zu ungeahnten Mobilisierungseffekten in einem Staat führen in dem die Demokraten so oder so langsam Oberwasser gewinnen und die Republikaner in der Defensive sind. So ist es möglich mit relativ wenig Ressourceneinsatz gleich zwei Wahlen zu gewinnen. Die Elf Wahlmänner Arizonas währen in jeder Strategie sehr willkommen. Zusammen mit Michigan und Pennsylvaina würde das schon ausreichen um Trump zu stürzen.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

So, jetzt ist es wieder ein bisschen her seit meiner letzten Meldung, dafür hab ich eine Weile daran gewerkelt:

Die Präsidentschaftskandidaten der Demokraten - Die große Vorabübersicht

Nun, nachdem Joe Biden als letzter wichtiger zu erwartender Bewerber seine Kandidatur immer noch zurückhält aber eigentlich sicher ist, dass er antritt kommt jetzt mal eine Übersicht über das relativ umfangreiche Feld der Demokraten bis jetzt, inklusive meiner persönlichen Einschätzung darüber wie groß die Chancen sind, dass sie/er es schafft letztendlich das Ticket der Demokraten zu erhalten.

Beginnen wir mit den Favoriten, werfen wir dann einen Blick auf die Bewerber mit mittelmäßigen Chancen, die Geheimtipps und schließlich die ferner-liefen-Kandidaten.

Obwohl es noch über ein dreiviertel Jahr bis zur ersten Vorwahl in Iowa ist, gibt es kaum noch jemanden der noch nicht im Rennen ist und an dieser Vorabeinschätzung groß was ändern wird und/oder in den Umfragen irgend eine Rolle spielt. Einzige Ausnahme ist hier vielleicht Michelle Obama, die aber bereits mehrfach nachdrücklich abgelehnt hat.

Sollte sich hier doch noch etwas ändern werde ich die Personen entsprechend nachreichen. Generell ist das Feld unglaublich groß und unübersichtlich und es wird noch einige Zeit vergehen und manchmal geschehen auch völlig unvorhergesehene Dinge. Wer hätte Anfang 2015 vermutet dass Donald Trump mal Präsident wird? Wahrscheinlich nicht mal Trump selber…

Topfavoriten

Joe Biden (ehemaliger Vizepräsident aus Delaware)
Joe Biden. Barack Obamas Bro #1 hat wahrscheinlich tatsächlich die besten Chancen der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden. Und trotzdem sind seine Chancen nicht gut, dafür ist die Konkurrenz einfach zu groß. Joe Biden bringt von allen Bewerbern sicherlich die meiste Erfahrung mit. Er war über 30 Jahre Senator seines Heimatstaates Delaware, mehrfacher Bewerber auf das Präsidentenamt (selbstredend immer ohne Erfolg) und schließlich acht Jahre Vizepräsident von Barack Obama und als solcher mit der Presidential Medal of Freedom ausgezeichnet worden.
Steckenpferd: diverse, am ehesten Gesundheitspolitik
Politische Einordnung: Moderat
Pros: Biden bringt eine Menge Erfahrung mit, mit seinem Bekanntheitsgrad kann ansonsten nur noch Bernie Sanders mithalten, er gilt als bodenständig und recht beliebt bei der weißen Arbeiterschaft v.a. im mittleren Westen (die Wählergruppe wegen der Clinton 2016 gegen Trump verloren hat), er kann es mit Trumps Charakter und vor allem seiner Sprache aufnehmen (die Debatten wären sehr unterhaltsam).
Cons: Er ist relativ alt (Er wäre bei Amtsantritt 78 Jahre alt) für einen der härtesten Jobs der Welt, in seiner langen Zeit als Politiker im Senat hat zwangsläufig dazu geführt dass er auch viele unpopuläre Entscheidungen mittragen musste, außerdem hat er in der Vergangenheit (zu) enge Kontakte zur Hochfinanz gepflegt (bedingt auch durch seinen Heimatstaat der für seine Briefkastenfirmen bekannt ist).
Fazit: Die erste Wahl sollte sich herausstellen, dass seine Umfragewerte nicht nur auf seinen Bekanntheitsgrad zurückzuführen sind.

Kamala Harris (Senatorin von Kalifornien)
Kamala Harris, Senatorin des Staates Kalifornien und als Frau, Kind jamaikanischer und indischer Eltern gehört sie diversen unterrepräsentierten Gruppen an. Sie hat zudem eine beachtenswerte Karriere als Staatsanwältin hinter sich.
Steckenpferd: Recht und Ordnung
Politische Einordung: Moderat
Pros: Durch ihren Hintergrund als Staatsanwältin hat sie unter Umständen auch bei Unabhängigen oder moderaten Republikanern eine Chance denen Demokraten vielleicht sonst in dieser Richtung "zu lasch" wären und könnte trotzdem Schwarze, Latinos und Frauen mobilisieren, außerdem ist sie sehr gut darin im Rahmen von Kampagnen mit sozialen Medien und Big Data umzugehen.
Cons: Als indojamaikanische Frau als Kalifornien wird neben besagten Bevölkerungsgruppen ebenfalls Trumps Basis aktiviert, außerdem könnte sie durch ihr sehr hartes Vorgehen als Staatsanwältin auch einige Wähler verschrecken.
Fazit: Insgesamt starke Kandidatin die die "Obama-Koalition" wiederbeleben könnte.


Beto O'Rourke (ehemaliger Abgeordneter aus Texas)
Der smarte junge Texaner irischer Abstammung hat bei seiner Senatskandidatur (obwohl er gegen Ted Cruz verloren hat) im republikanisch geprägten Texas schwer beeindruckt und die Massen elektrisiert. Auch beeindruckend war es, dass er riesige Summen Geld mobilisieren konnte und das ohne einen einzigen Dollar von PACs* anzunehmen. Die Umfragewerte sind nicht so schlecht, spiegeln aber (noch) nicht wirklich die Hoffnungen wieder die viele Amerikaner auf den Texaner projizieren. Aber der Wahlkampf in den Staaten in denen die ersten Vorwahlen stattfinden (Iowa, New Hampshire, South Carolina) sind nicht Texas und der Wahlkampf hat auch gerade erst begonnen.
Steckenpferd: Drogenpolitik
Politische Einordnung: Moderat bis linksliberal (noch nicht ganz klar, Abstimmverhalten in der Vergangenheit moderat, Rhetorik aktuell eher linkliberal)
Pros: O'Rourke ist jung, charismatisch und authentisch, könnte sowohl Ideologen als auch realpolitisch orientierte Wähler überzeugen und durch seine Herkunft hätte er Chancen in einigen Staaten die sich in den letzten Jahren Richtung Demokraten bewegt haben (Florida, Arizona, North Carolina, Georgia)
Cons: Seine liberale Einstellung zu Einwanderungsfragen wird Trumps Basis an die Urnen bringen außerdem ist es fraglich in wie weit er schwarze Wähler oder die 2016 wahlentscheidenden Wähler aus dem mittleren Westen begeistern kann.
Fazit: Der aufstrebende Stern am Himmel der Demokraten, wenn da nicht der mittlere Westen wäre.

*PAC=Political Action Commitee, die Summe der Wahlkampfspenden an einen Kandidaten pro Person ist in den USA beschränkt, so genannte PACs dürfen aber so viel Geld sammeln wie sie wollen und das dann im Wahlkampf raus hauen.

Bernie Sanders (Senator von Vermont)
Bernie Sanders, der Name steht mittlerweile für sich. Bis zu seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2016 konnte sich niemand vorstellen , dass jemand in den Vereinigten Staaten für ein höheren Amt kandidieren könnte, sich selbst als Sozialist bezeichnet und irgend einen Hauch von Chance haben könnte. Am Ende hatte Hillary Clinton doch deutlicher gewonnen als es lange den Anschein gehabt hatte und trotzdem hat er ganz vorne mitgespielt. Nun hat Clinton verloren und Sanders, der nominell unabhängige Senator aus Vermont, wittert noch einmal seine Chance. Die Frage ist, ob der Zug nicht abgefahren ist. Als einziger wirklich linker Kandidat hat er es 2016 nicht geschafft genug Stimmen an sich zu binden, nun ist der Zauber des Neuen weg, die unbeliebte Hillary Clinton ist nicht mehr da und das Feld ist auch ganz links gut gefüllt. Dafür gibt es jetzt eine gut geölte Bernie-Maschinerie voll von jungen Leuten die schon 2016 dabei waren und jetzt noch mehr Erfahrung haben.
Steckenpferd: Soziale Gerechtigkeit, Hochschulpolitik
Politische Einordnung: Demokratischer Sozialist
Pros: DER linke Kandidat, er könnte die Jugend mobilisieren, mittlerweile hat er auch Erfahrung darin sich für das Präsidentenamt zu bewerben
Cons: Er ist alt, noch älter als Joe Biden, bei Amtsantritt wäre er 79, ethnische Minderheiten bringt er kaum an die Urnen wie sich 2016 gezeigt hat, er ist so weit links, dass er zum Teil moderate Wähler verschrecken könnte (wobei viele moderate Demokraten ihn wählen würden nur weil er jemand anderes als Donald Trump ist).
Fazit: Der grantlige Sozialist Sanders kommt bei seiner jungen und linken Basis gut an, die entscheidende Frage ist, ob er auch darüber hinaus Wähler an sich binden kann.



Mittelmäßige Chancen

Elizabeth Warren (Senatorin von Massachusetts)
Die streitbare Senatorin aus dem liberalen Massachusetts hat als eine der ersten Aspiranten ihre Kandidatur bekannt gegeben. Es läuft gut aber nicht toll, sie hatte sich wohl mehr erhofft, hatte sie sich doch als eine der schärfsten Kritikerinnen Trumps einen Namen gemacht und ihre Themen passen ganz gut in die Zeit (Frauenrechte und soziale Ungleichheit). Ihre sehr linksliberale Einstellung (und sie kommt aus einem sehr linksliberalem Staat) befeuert zwar ihre Anhänger aber sonst wohl nicht so viele Demokraten (und wahrscheinlich erst recht keine moderaten Midwestler) außerdem hat sie sich ein unwürdiges Scharmützel mit Donald Trump geleistet da sie mehrfach Vorteile dadurch genossen hatte als sie angab einer ethnischen Minderheit anzugehören (Cherokee-Indianerin). Um diese Vorwürfe zu entkräften (Trump bezeichnet sie seit jeher als "Pocahontas") ließ sie einen DNA-Test durchführen um zu beweisen, dass sie von amerikanischen Uhreinwohnern abstammt. Ihre Umfragewerte sind zwar ok, bewegen sich aber konstant bei unter 10% und stagnieren, sowohl Harris (Frauen) als auch Sanders (Linke) werden sie einiges an Stimmen kosten.
Steckenpferd: Soziale Ungleichheit
Politische Einordnung: Links
Pros: Proggressiv und pragmatisch, könnte Frauen aus dem Vororten mobilisieren, einer wahlentscheidenden Bevölkerungsgruppe
Cons: Kommt nicht gut bei weißen Arbeitern aus dem mittleren Westen an (einer anderen wahlentscheidenden Gruppe), Umgang mit "Pocahontasgate"
Fazit: Auch wenn ihre Umfragewerte noch brauchbar aussehen, ich persönlich sehe ihre Chancen eher dürftig, vor allem so lange Sanders (Linke-Schiene) und Harris (Frauenschiene) noch im Rennen sind.

Cory Booker (Senator von New Jersey)
Booker wird schon länger (vielleicht einen Ticken zu lang) als Newcomer der Demokraten gefeiert. Er machte sich als Bürgermeister von Newark einen Namen als der die von Armut und Kriminalität geplagte Stadt befriedete und auf Erfolgskurs brachte. Im blauen New Jersey war es für ihn dann 2013 leicht als Senator gewählt werden um die Nachfolge des verstorbenen Frank Lautenberg anzutreten. Booker wirkt anpackend und dynamisch und begeistert immer noch viele potentielle Wähler. Trotzdem scheint seine Kampagne nicht recht vom Fleck zu kommen, bei Umfragen kommt er gerade mal auf 3 bis 4%.
Steckenpferd: Entwicklung des urbanen Raumes
Politische Einordnung: Linksliberal
Pros: Er kann Minderheiten und Linke gleichermaßen begeistern, Booker ist ein zäher Typ aus New Jersey und Trumps Mobbing würde bei ihm voll ins Leere laufen.
Cons: Bei Wählern im ländlichen Raum und im mittleren Westen wird er deutliche Probleme haben, hier gereicht ihm deutlich zum Nachteil, dass die ersten zwei Vorwahlen in Iowa (ländlicher Staat im mittleren Westen) und in New Hampshire (ländlich) stattfinden.
Fazit: Ein brauchbarer Kandidat, warum er in Umfragen nicht besser dasteht kann ich auch nicht sagen. Da sich hier auch nicht viel zu bewegen scheint sind seine Chancen also eher dürftig.

Kirsten Gillibrand (Senatorin von New York)
Eigentlich würde die Senatorin aus New York mit ihren Frauenthemen in Zeiten von #MeToo voll durchschlagen aber die Kampagne läuft nicht gut. In den Medien ist sie kaum präsent und ihre Themen werden kaum gehört. Und jetzt auch noch das: Als gegen einen ihrer Mitarbeiter Vorwürfe wegen sexueller Belästigung laut wurden blieb sie außerordentlich passiv. Abschreiben sollte man sie noch nicht aber die Chancen schwinden.
Steckenpferd: Frauenrechte
Politische Einordnung: Moderat
Pros: Einer der schärfsten Gegnerinnen Trumps und das hat sie auch immer wieder verdeutlicht, sie wirkt authentisch und hat mit Frauenthemen früh auf das richtige Pferd gesetzt.
Cons: Zu Moderat für viele linke Wähler und wird kaum Minderheiten und weiße Arbeiter aus dem mittleren Westen mobilisieren.
Fazit: Vom Profil her eine Kandidatin mit der man rechnen müsste, aber weder der aktuelle Stand noch die Aussichten sind allzu rosig. Wenn nicht etwas entscheidendes zu ihren Gunsten passiert (Bekanntheitsboost, Ausscheiden aller anderen Frauen) dann wird das nichts.

Johnny's Geheimtipps

Pete Buttigieg (Bürgermeister von South Bend - Indiana)
Der junge, offen schwule Bürgermeister des 130.000 Einwohner Städtchens (ja, in den USA ist das ein Städtchen) South Bend, Indiana, hat keine Chance. Und die nutzt er. Nachdem seine Kandidatur ungläubig wenn überhaupt nur registriert wurde hat er sich als smart, sympathisch und rhetorisch sehr geschickt erwiesen und hat einen vielbeachteten Auftritt auf der South by Southwest hingelegt. Je nachdem wer gewinnt könnte er auch einen interessanten Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten oder einen Ministerposten abgeben. Er ist jung und könnte in 4, 8 oder in wie vielen Jahren auch immer gut wieder antreten. Ich behaupte frech, dass wir von ihm nochmal hören werden.
Fazit: Smarter junger Typ. Like! Vielleicht Vizepräsidentschaftskandidat unter Harris? Wenn O'Rourke hinschmeißt und ein kleines Wunder passiert vielleicht noch mehr?

Amy Klobuchar (Senatorin von Minnesota)
Die unaufgeregte Senatorin aus Minnesota ist pragmatisch, sehr moderat und könnte viele bloß-nicht-wieder-Trump-Republikaner so wie eigentlich-Republikaner-Unabhängige überzeugen und auch besonders in den wahlentscheidenden Staaten des mittleren Westens gut ankommen. Die Kritik von ehemaligen Mitarbeitern die sie bezichtigt haben, sie während der Arbeit unwürdig behandelt und erniedrigt zu haben hat ihr nicht wirklich geschadet und die Ankündigung ihrer Kandidatur in mitten eines Schneesturms hat viele beeindruckt.
Fazit: Wenn Biden hinschmeißt könnte sie es schaffen die Moderaten zu vereinigen. Sollte sie dann den Vorwahlkampf in Kalifornien überleben, wer weiß?

Ferner liefen

Julian Castro (ehemaliger Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung aus Texas)
Eigentlich müsste er keine so schlechten Chancen haben (jung und trotzdem erfahren, Latino) aber dennoch bleibt er fast unsichtbar, in den Medien kaum bis gar nicht präsent, von den Umfragen unter "Sonstige" aufgeführt, das wird wohl nichts, vor allem nicht seit Beto O'Rourke auch auf das Texasticket fährt.
Fazit: Das wird nichts, trotz Latino-Schiene.

John Delaney (ehemaliger Abgeordneter aus Maryland)
Ein unbekannter Hinterbänkler aus dem tiefblauen Maryland. Alleinstellungsmerkmal: Hat am Tag nach Trumps Amtsantritt seine Kandidatur verkündet und damit mehr als zwei Jahre vor fast allen anderen.
Fazit: Nice Try!

Tulsi Gabbard (Abgeordnete aus Hawaii)
Gabbard müsste von ihrem Profil her eigentlich ganz gut passen aber merkwürdige frühere Äußerungen zu Homosexuellen, ihre extrem antiinterventionistische Einstellung und ihre völlig chaotische Kampagnenführung haben jegliche Chancen beerdigt.
Fazit: So lange man noch nicht viel über sie gewusst hat dachte man sich noch "Hey, warum nicht?!" oder "Cool, Hawaii"

Mike Gravel (ehemaliger Senator von Alaska)
Mike Gravel wäre am Ende seiner zweiten Amtszeit 98. Mehr braucht man dazu nicht sagen.
Fazit: Man will niemanden wegen seines Alters diskriminieren. Aber Mike ist zu alt.

John Hickenlooper (ehemaliger Gouverneur von Colorado)
Interessant für moderate Wähler aber wahrscheinlich leider zu unbekannt und zu spät ins Rennen eingestiegen. In einem so großen Feld wird er sich nicht durchsetzen können.
Fazit: Nur wenn Biden und Klobuchar frühzeitig hinschmeißen sollten und dann noch Wunder geschieht dürfte sich hier noch überhaupt etwas bewegen.

Jay Inslee (Gouverneur von Washington)
Er fährt auf das Umweltschutzticket, wird aber für die meisten Wähler zu progressiv sein.
Fazit: Er besetzt als einziger dieses relevante Thema, wird damit aber wahlentscheidende Gruppen nicht kriegen können.

Wayne Messam (Bürgermeister von Miramar - Florida)
Wer?
Fazit: Hä?

Marianne Williamson (Autorin und spirituelle Lehrerin aus Kalifornien)
wtf
Fazit: wtf

Andrew Yang (Unternehmer aus New York)
Er hat ein Technologieunternehmen gegründet und fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen, hat aber keinerlei politische Erfahrung. Nett um mal ein paar Ideen unters Volk zu bringen aber mehr auch nicht.
Fazit: Joa. Dann haben wir den Namen auch mal gehört.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

02.04.2019

Buttigieg überrascht, Biden leider auch

In meinem letzten Artikel habe ich euch meinen persönlichen Geheimtipp Pete Buttigieg, seines Zeichens Bürgermeister von South Bend, Indiana vorgestellt. Es sieht so aus, als wäre meine Einschätzung richtig gewesen. Buttigieg macht sich langsam in den Umfragen breit. Bemerkenswert war hier eine Umfrage in Iowa, dem ersten Staat in dem eine Vorwahl stattfindet bei der er bei 11% lag (!!!)[1] und damit auf Platz 3 hinter Biden und Sanders. Das Ganze hat sich etwas relativiert, er kommt in einer anderen Umfrage auf 6% [2], damit liegt er aber immer noch gleichauf mit Klobuchar und O'Rourke. Auch in anderen Staaten wird er mittlerweile von den Umfragen erfasst (und ja, bei diesem Riesenfeld zählt man damit schon zur engeren Auswahl. In Nevada kommt er auf 5% [3], in Alabama auf drei[4], in Pennsylvania auf 6 [5]und in Oregon auf 3%[6]. Doch auch bei nationalen Umfragen wird er mittlerweile erfasst und kommt beispielsweise bei einer Mornign Consult Befragung vom 31. März auf 3% [7] und liegt damit vor Amy Klobuchar, Julian Castro, Kirsten Gillibrand und John Hickenlooper. Was momentan auch für ihn spricht ist sein Fundraising. Er hat in seinem ersten Monat 7.000.000 US$ eingesammelt und wird darin nur von Sanders und O'Rourke überboten, die aber beide bekannt sind jeweils über eine erprobte Spendengeldmaschinerie verfügen. Die Art wir jetzt über ihn gesprochen wird spricht aus meiner Sicht eher für als gegen ihn. Wenn wir realistisch sind war er vor drei Monaten ein unbekannter Bürgermeister aus Indiana. Und wenn jetzt Stimmen mahnen, dass der Hype möglicherweise zu früh kommt stelle ich erfreut fest: es gibt einen Hype. Und wenn jemand das quasi aus dem Nichts schafft, dann traue ich ihm auch zu, dass er es schafft das Ganze zu verfestigen und wirkliches Momentum daraus zu generieren.

Joe Biden jedoch hat Probleme mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Obwohl die Vorwürfe gegen Trump und Brett Kavanaugh deutlich schwerer wogen, bellen die konservativen Republikaner gerade am lautesten gegen Biden. Da sieht man, vor wem sie Angst haben. Ohne Biden in Schutz nehmen zu wollen aber tatsächlich wird in Amerika mit zweierlei Maß gemessen. Da die Wählerschaft der Demokraten hohe moralische Standards hat (ironischer Weise wird ihnen von den Republikanern vorgeworfen, dass sie keine Moral hätten. Tatsächlich weichen aber wohl unsere Vorstellungen von Moral sehr von denen konservativer Amerikaner ab) und auf solche Themen sehr empfindlich reagiert kann so eine Anschuldigung eine Kampagne beerdigen, vor allem wenn sich noch mehr Frauen melden. Siehe Senator Al Franken (D - Minnesota) der aufgrund ähnlicher (wenn auch etwas schwererer Anschuldigungen) zurücktreten musste.


[1]http://emersonpolling.com/2019/03/24/io ... le-digits/
[2]http://www.focusonruralamerica.com/2019 ... l-results/
[3]http://emersonpolling.com/2019/03/31/ne ... state-red/
[4]https://docsend.com/view/ursdyec
[5]http://emersonpolling.com/2019/03/28/pe ... -election/
[6]https://zogbyanalytics.com/news/885-the ... king-moves
[7]https://morningconsult.com/wp-content/u ... 4.2.19.pdf
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

04.04.2019

Wie geht es weiter?

Bis zu der ersten Vorwahl in Iowa, bei der sich die Kandidaten das erste Mal unter realen Bedingungen einem echten Elektorat stellen müssen, ist es noch ein Weilchen, erst am dritten Februar 2020 ist es so weit. Bei den letzten beiden wichtigen Präsidentschaftswahlen 2016 und 2008 gab es lange Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei aussichtsreichen Kandidaten (Obama-Clinton; Clinton-Sanders). Obwohl nächstes Jahr so viele Kandidaten antreten werden, von denen keiner wirklich heraussticht (zumal der Top-Kandidat ernsthafte Probleme hat, siehe oben), ist ein langes, spannendes Rennen eher nicht zu erwarten. Nach Iowa werden sehr wahrscheinlich nicht mehr als 4 oder 5 ernsthafte Kandidaten übrig bleiben. Grund dafür ist vor allem, dass einige große Bundesstaaten ihren Wahltermin nach vorne, auf den Super Tuesday, verlagert haben (siehe unten). Das führt dazu, dass bereits in der Frühphase sehr viele Stimmen vergeben werden und die Entscheidung wahrscheinlich früh fällt da ein Kandidat zum Super Tuesday bereits praktisch uneinholbar nach vorne rutschen kann.

Auf Iowa folgt am 11.02. New Hampshire, ein kleiner, kleinstädtisch/ländlich geprägter Neuenglandstaat, einem der letzten, in die fast ausgestorbene Spezies der liberalen Nordwestrepublikaner vom Schlag eines Nelson Rockefellers noch etwas zu sagen hat(te). Wer in Iowa unter gegangen ist und sich ausgerechnet hat in New Hampshire wird alles anders, wird nun endgültig hinschmeißen, wenn er hier keine Sonne gesehen hat und noch recht bei Trost ist. Weiter geht es nach Nevada am 22.02 und nach South Carolina am 29.02. Nevada hat einen hohen Anteil an Latinos und ist von daher spannend, South Carolina hat im Vergleich zu anderen Staaten wenige demokratische Wähler die zudem zum großen Teil Afroamerikaner sind, die zwar die demokratisch wählen aber in vielen Belangen oft konservative Ansichten (beispielweise Homoehe, Abtreibungen etc.). Am 03. März folgt dann der Super Tuesday an dem in mindestens 12 (!!!!!) Staaten gewählt wird, darunter die krassen Schwergewichte wie Kalifornien und Texas. Die Chance ist sehr hoch, dass hier endgültig entschieden wird und falls sich hier noch nicht herauskristallisieren sollte wer es wird, dann wird es vermutlich auf den 17.03 ankommen an dem in zwei großen (Florida und Illinois) und einem für die Demokraten bedeutenden Staat (Arizona) gewählt wird.

Man kann sich jetzt die Frage stellen für wen der Kalender einen Vorteil und für wen einen Nachteil darstellt. Einen gewissen Vorteil können sich vermutlich Kandidaten aus dem mittleren Westen oder dem ländlichen Amerika ausrechnen da sie in Iowa tendenziell etwas besser abschneiden könnten, das träfe für Amy Klobuchar und für Pete Buttigieg zu, auch Joe Biden ist, obwohl er aus Delaware kommt, im mittleren Westen recht beliebt. Es ist weiterhin zu bemerken, dass bis zum Super Tuesday in keinem Staat gewählt wird der eine linksliberale bis linke Wählerschaft hat, am dritten Februar träfe das in hohem Maße auf Kalifornien, Massachusetts und Vermont zu. Das muss aber nicht zwingend ein Nachteil sein. Wenn die linken Kandidaten bei den ersten Terminen eher schlechter abschneiden könnte das beispielsweise dazu führen, dass einige Kandidaten schneller das Handtuch schmeißen werden und am Super Tuesday dann vielleicht nur noch ein Kandidat übrig ist, der alle linken Stimmen auf sich vereint. Letzten Endes wird es trotzdem darum gehen, wer ein gewisses Spektrum an Staaten überzeugen kann, wer eine professionelle und effektive Kampagne organisieren kann, wer auf die richtigen Themen setzt und sich nichts zu Schulden kommen lässt.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

05.06.2019

It's Biden time!

Tja, was habe ich geschrieben über das riesige Kandidatenfeld und über taktieren in den Vorwahlkämpfen. Gut, es ist noch sieben Monate hin bis Iowa, dennoch findet gerade ein bemerkenswerter Prozess statt. Lange war nicht klar ob Bidens Vorsprung in den Umfragen nur auf seine Bekanntheit zurückzuführen ist, also dass bei Meinungsumfragen eine Reihe an Namen vorgelesen wird und viele Menschen einfach den einzigen Namen nennen den sie kennen. Nun hat Biden aber seine Kandidatur schon gewisse Zeit erklärt, einige der unbekannteren Kandidaten haben sich bekannter gemacht und trotzdem, seitdem ist Biden in die Höhe geschossen zu Lasten fast aller anderen Kandidaten.

Vor allem Bernie Sanders und Beto O'Rourke haben deutlich Prozente eingebüßt. Für O'Rourke besonders bitter weil er sowieso nicht so gut dastand, wie die Hoffnungen die in ihn gesetzt wurden suggeriert haben und dringend eine massive Verbesserung gebraucht hätte. Bitter aber auch für Sanders da es seine (aufgrund seines fortgeschrittenen Alters) wohl letzte Chance ist Präsident zu werden, beide hatten sich deutlich mehr erhofft. Das Feuer von Pete Buttigieg scheint schon wieder zu erlöschen, auch wenn er relativ gesehen nicht so viel verloren hat wie O'Rourke und absolut gesehen nicht so viel wie Sanders, und auch, wenn er sich in allerletzter Zeit wieder ein wenig erholt hat, aber es scheint jetzt klar zu sein wo das derzeit maximale Potential dieses Kandidaten zu liegen scheint. Auch Amy Klobuchar hat verloren und wird kaum noch in den Umfragen namentlich aufgeführt. Die einzige Kandidatin die scheinbar unbeschadet aus diesen Verschiebungen hervorgeht ist überraschender Weise Elizabeth Warren, die nun auf Platz drei vorgerückt ist (mit relativ stabilen Umfragewerten wohlgemerkt, die anderen haben sie "unterholt").

Für alle gemeinsam werden nun die ersten öffentlich Debatten auf der großen Bühne entscheidend sein, denn die Parteiführung hat die Hürde für eine Teilnahme an diesen extrem niedrig gelegt. Nur wer hier irgendwie aus dem Feld herausstechen kann, hat überhaupt noch eine Chance. Sollten sich nur Biden und Sanders profilieren dann wird das Feld sehr schnell sehr viel kleiner. Das heißt O'Rourke, Buttigieg, Harris, und Co. Müssen hier absolut liefern, sonst werden sie in Iowa nicht mehr auf dem Stimmzettel stehen. Für andere scheint sogar dieser Zug schon abgefahren (Castro, Gillibrand, Booker und wahrscheinlich auch Klobuchar, um mal nur die bekannteren Namen zu nennen.)

Die erste Debatte findet übrigens am 26. und 27. Juni, also in einem halben Monat, in Miami statt und wird von MSNBC ausgerichtet, die nächste dann schon drei Tage später in Detroit von CNN. Die Hürde für diese Debatten zugelassen zu werden ist extrem niedrig, es dürfen bis zu 20 (!!!) Kandidaten auf die Bühne, die Bedingung ist entweder in drei aufeinanderfolgenden offiziellen Umfragen 1% oder mehr zu haben ODER Geld von 65.000 Spendern eingesammelt zu haben. Sollten mehr als 20 diese Kriterien erfüllen werden diejenigen bevorzugt die beide erfüllen.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

12.06.2019

Matheübung und überraschende Wahlkampftaktik

Noch knapp anderthalb Jahre bis zur Wahl. Höchste Zeit mal ein paar Rechenspiele zu machen.

Eine gute Übersichtskarte mit den Ergebnissen der letzten Wahl und wie knapp es war (knappte Staaten sind weiß mit Farbe desjenigen Kandidaten umrahmt die er oder sie mit weniger al 5% Vorsprung gewonnen hat) findet ihr hier:
https://www.electoral-vote.com/evp2019/ ... Jun12.html

Das Electoral College hat 538 Wahlmänner und -frauen. Um also Präsident der Vereinigten Staaten zu werden (oder zu bleiben) muss Staaten im Gegenwert von 270 Stimmen gewinnen. Trump hatte Staaten mit insgesamt 306 Wahlmännern gewonnen. Ein solider Vorsprung, sollte man meinen. Durch das Mehrheitswahlrecht kann die Zahl der Wahlmänner aber leicht in die eine oder andere Richtung kippen.

Tatsächlich waren mehrere Staaten die mehrheitlich für Trump gestimmt haben nur haarscharf für den republikanischen Kandidaten. Die drei knappsten waren Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Alle drei eher große Staaten mit vielen Wahlmännern. Der Vorsprung von Trump: 0,77% in Wisconsin (22.748 Stimmen), 0,72% in Pennsylvania (44.292 Stimmen) und 0,23% in Michigan (10.704 Stimmen). Ein paar Wahlkampfauftritte die für eine hohe Mobilisierung der Studenten in den jeweiligen Staaten befördert hätte, hätte im Nachhinein ausreichen können für einen Sieg. Und die Stimmungslage hat sich mittlerweile verändert.

Es ist daher zu erwarten, dass die Demokraten deutlich mehr Menschen mobilisieren werden, zum einen, weil Hillary Clinton eine historisch unbeliebte Kandidatin war, zum anderen, weil viele Menschen jetzt wissen was passiert, wenn man nicht zur Wahl geht. Bei den Midterm-Elections hat sich die große Wahlbeteiligung schon sehr positiv für die Demokraten ausgewirkt. Die Zustimmung für Trump in den drei Staaten ist nach der Wahl nochmal deutlich runter gegangen, am besten sieht es noch in Wisconsin aus.

Nehmen wir mal an, Trump hält alle Staaten die er 2016 gewonnen hat und verliert in Pennsylvania und Michigan (und das ist momentan sehr wahrscheinlich, verantwortlich dafür sind schlechte Umfragewerte für Trump und gute Ergebnisse in den Midterm-Elections für die Demokraten in beiden Staaten) hätte er 270 Stimmen, würde ziemlich exakt reichen, es gibt dann aber keinerlei Spielraum mehr für weitere Verluste.

Vielleicht deswegen hat Trumps Wahlkampfteam angekündigt Staaten, die die Demokraten gewonnen haben, ins Visier zu nehmen. Klingt nach einem offensiven Vorgehen, ist aber in Anbetracht der Lage hochdefensiv da die Demokraten es auch auf Staaten abgesehen haben die durch demographische und gesellschaftliche Verschiebungen in den letzten Jahren mehr und mehr in Richtung Team Blau tendieren.

In den meisten Staaten hat Trump deutlich besser abgeschnitten als Mitt Romney 2012. In Georgia und Arizona jedoch schlechter, in Florida und North Carolina nur geringfügig besser als Romney und alle vier Staaten waren eher knappe Geschichte (wenn auch bis auf Florida nicht so knapp wie Pennsylvania, Michigan und Wisconsin) und in allen vier Staaten, vor allem gilt das für Arizona und Georgia, haben die Demokraten in den Midterm-Elections sehr gute Ergebnisse eingefahren (in Arizona wurde ein Senatssitz, in Georgia einige neue Abgeordnete und fast der Gouverneursposten erobert).

Wenn Trump also gewinnen will muss er auch hier mögliche Verluste einkalkulieren. Trumps Team hat folgende Zielliste herausgegeben: New Mexico (5 Wahlmänner), New Hampshire (4 Wahlmänner), Nevada (6 Wahlmänner), Oregon (7 Wahlmänner) und Minnesota (10 Wahlmänner), macht zusammen 32. Das könnte beispielsweise den Verlust von Wisconsin und Arizona (10 und 11 Wahlmänner) kompensieren. Für Wisconsin und Florida (10 und 29 Wahlmänner) würde es aber schon nicht mehr reichen und auch nicht für Wisconsin, Arizona und Georgia (10, 11 und 16) und Florida und Arizona (29 und 11).

Wie groß ist die Chance, dass Trump diese Staaten gewinnt die er jetzt ins Visier nehmen will? In Minnesota und New Hampshire könnte man ihm noch Chancen einräumen, für die anderen Staaten geht die Tendenz nahe gegen Null auch wenn es hier zum Teil singuläre Ereignisse gab bei denen man mit viel gutem Willen Signale erkennen könnte (z.B. das überraschend knappe Ergebnis bei den Gouverneurswahlen in Oregon). Er beruft sich darauf, dass ihm auch keiner zugetraut hat, die Staaten im nördlichen mittleren Westen zu gewinnen und wer weiß, nach 2016 scheint nichts unmöglich, sehr aussichtsreich ist dieses Unterfangen jedoch nicht.

Vielleicht ist das aber auch nur ein Trick um die Demokraten dazu zu verleiten Gelder von anderen Staaten abzuziehen. Man darf Trump auch nicht unterschätzen. Im Gegensatz zu 2016 verfügt er nun über eine etablierte Wahlkampfmaschine und die Partei steht bis auf wenige Ausnahmen in der Sache Wiederwahl dieses Mal fest hinter ihm. Auch weiß man nicht, wen die Demokraten als Kandidaten aufstellen, hier könnte man einige böse Überraschungen erleben. Das große Feld birgt auch die Gefahr, dass sich die einzelnen Bewerber schon im Vorwahlkampf aufreiben und gegenseitig bekämpfen. Was wirklich Sache ist wissen wir erst am dritten November 2020.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

26.06.2019

Die Schlacht beginnt

Dass es noch einige Zeit bis zu Wahl ist (etwa ein Jahr und vier Monate) habe ich schon so oft geschrieben, dass es langsam langweilig wird. Trotzdem muss man es immer wieder erwähnen. Zur gleichen Zeit vor vier Jahren hatte Donald Trump noch nach einhelliger die geringsten Chancen Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden, geschweige denn Präsident und es wurde vorhergesagt, dass Hillary Clinton die Vorwahlen nebenher, ohne echten Gegenkandidaten durchlaufen würde um dann, wer auch immer ihr Gegner sei einen großartigen Sieg bei der Präsidentschaftswahl einzufahren. Umso bemerkenswerter, dass jetzt, nachdem die Parteien sich etwas sortiert haben und das Feld auf Seiten der Demokraten von jetzt an tendenziell eher kleiner als größer wird, die ersten Vorwahlkampfbewegungen stattfinden. Hierfür sind einige "kleinere" Nachrichten von letzter Woche ein sehr guter Indikator:

Wahlkampf
Der DNC (Democratic National Comittee, das zentrale Organ der Demokratischen Partei, v.a. wenn es um Präsidentschaftswahlkämpfe geht) hat beschlossen demnächst und durchgängig für die nächsten 12 Monate Wahlkampfwerbung zu starten. Und das für satte 150.000.000 US$. Milliardär Tom Steyer wird wohl noch ordentlich was zuschießen was dafür sorgen könnte, dass sich die Summe in Richtung einer Viertelmilliarde bewegt. Und in 12 Monaten hat der richtige Präsidentschaftswahlkampf noch gar nicht richtig begonnen. Zum Vergleich, Trumps (gesamte!) Wahlkampfausgaben betrugen 2016 etwa 300 Millionen. Das, was die Demokraten jetzt einfach mal vorab schon mal laufen lassen.

Polling data
Laut aktuellen Umfragen (Mai oder Juni) liegt Trump in entscheidenden Staaten z.T. deutlich hinter Joe Biden:
Arizona: Biden führt mit 5% [1]
Florida: Beide gleich auf [2]
Michigan: Biden führt mit 11% [3], hierbei ist noch zu erwähnen, dass der rechtslibertäre Republikaner Justin Amash bei dem im Raum steht ob er für die Libertäre Partei oder als unabhängiger Kandidat ins Präsidentschaftswahlrennen einsteigen könnte um sich an Trump zu rächen bei 10% in Michigan steht. Und von diesen zehn kommen 9% von Trumpwählern. Das heißt würde Amash diesen Schritt gehen würde das fast sicher dazu führen, dass Trump Michigan nicht gewinnen kann.
Pennsylvania: Biden führt mit 11% [4]
Texas: Biden führt mit 4% [5]
Wisconsin: Biden führt mit 4% [6]
Trumps Strategie ist hierbei ist es normalerweise "Fake News" zu schreien. Leider gibt es hierbei zwei Probleme. Erstens sind kampagneninterne Umfragen geleakt worden die eine ähnliche Sprache sprechen, zweitens hat Fox-News (die einzigen Nachrichten denen der Präsident vertraut) ähnlich lautende Umfrageergebnisse veröffentlicht. Die Reaktion des Präsidenten darauf war… …wirr:
".@FoxNews Polls are always bad for me. They were against Crooked Hillary also. Something weird going on at Fox. Our polls show us leading in all 17 Swing States. For the record, I didn’t spend 30 hours with @abcnews, but rather a tiny fraction of that. More Fake News @BretBaier"[7] Aha. Er führt also in allen 17 Swing States. In keiner real existierenden Welt gibt es 17 swing states…

House
Nachricht des der letzten Woche: Rep. Susan Brooks (R-IN) wird 2020 nicht mehr in ihrem Wahlkreis antreten. Klingt so relevant wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.
Auf den zweiten Blick jedoch offenbart dieser Sachverhalt einige bemerkenswerte Dinge. Ihr Wahlkreis hat einen CPVI von R+9 und Brooks hat 2016 mit 14 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Sie hätte eine Wiederwahl quasi in der Tasche. Und danach wohl noch eine und so weiter.
Sie ist erst 58 und dies ist ihre vierte Amtszeit. Wenn so jemand ohne akuten Grund hinschmeißt muss die Lage der Republikaner schon sehr deprimierend sein. Es muss hart sein mit einem solchen Präsidenten in einem Parlament in dem man keine Mehrheit (also auch keine Macht) mehr hat seine Zeit abzusitzen.
Es ist gut möglich dass sie, wie die Amerikaner es trefflich ausdrücken, ein Kanarienvogel im Kohleschacht ist der nun wegen Grubengasen krepiert ist. Das heißt: weitere dürften folgen und ein Wahlkreis ohne Amtsbonus zu gewinnen ist meistens schwieriger als mit.
Besonders schmerzlich: der Frauenanteil der republikanischen Abgeordneten ist sowieso schon sehr niedrig im Vergleich zu den Demokraten. Jeder weitere Verlust tut da doppelt weh.

Trump gibt Kandidatur bekannt
Ja, das ist tatsächlich die uninteressanteste Nachricht. Dass er nochmal antreten will hat er ja schon bei Amtsantritt angekündigt.





[1] https://ohpredictive.com/press-releases ... n-arizona/
[2] https://business.fau.edu/departments/ec ... -field.php
[3] https://ssl2002.webhosting.comcast.net/ ... a_Freq.pdf
[4] https://poll.qu.edu/images/polling/pa/p ... potp20.pdf
[5] https://poll.qu.edu/images/polling/tx/t ... tgye56.pdf
[6] http://firehousestrategies.com/june-2020-survey/
[7] https://twitter.com/realDonaldTrump/sta ... 6288782336
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

28.06.2019

Die erste Debatte

Zum Spiel der Kandidatenkür gehören die öffentlich im nationalen Fernsehen übertragenen großen Debatten der wichtigen Kandidaten. Die erste hat jetzt stattgefunden, in zweit Teilen zu je 10 Teilnehmern aufgrund des großen Feldes. Durch das große Publikum und den direkten Vergleich können sich Kandidaten bekannt machen und so aus schlechten Umfragewerten heraus kommen. Auf der anderen Seite, wer es hier nicht schafft sich einen Namen zu machen, ja, den kann man wahrscheinlich bald von der Liste streichen, gerade wenn die Umfragewerte und die Bekanntheit sowieso schon im Keller war. Machen wir es an dieser Stelle ganz kurz, ich stelle kurz zu den Kandidaten die in den Umfragen eine Rolle spielen ob sie zu den Gewinnern oder zu den Verlierern gehören, also ob sich ihre Umfragewerte wahrscheinlich nach oben bewegen oder ob wie die Namen wahrscheinlich bald von der Liste streichen dürfen:

Gewinner:
- Sen. Elizabeth Warren (MA), linksliberal bis linkspopulistisch, Hauptthema soziale Ungleichheit
- Ehem. Stadtentwicklungsminister Julien Castro (TX), Latinoschiene, Hauptthema Infrastruktur
- Sen. Cory Booker (NJ), Liberal, Hauptthema Stadtentwicklung
- Sen. Kamala Harris (CA)
- Bürgermeister Pete Buttigieg (South Bend, IN)
-

Verlierer
- Ehem. Abgeordneter Beto O'Rourke (TX), Millenial, Hauptthema "I'M AWESOME!"
- Sen. Amy Klobuchar (MN), Mittlerer Westen, Hauptthema Ländlicher Raum und Infrastruktur
- Ehem. Vizepräsident Joe Biden (DE)
- Bernie Sanders

Wenn sich diese Ergebnisse in den Umfragen niederschlagen werden (und das tun sie normalerweise) könnte es so aussehen, dass Warren an Sanders vorbeizieht und sich irgendwo hinter Biden auf Platz zwei positionieren könnte. Die Frage ist ob der Schub auch für Harris und Buttigieg reicht um ebenfalls an Sanders vorbeiziehen können. Booker und Castro könnten die Chance nutzen um zu mindestens wieder Umfragewerte jenseits der 5% zu erreichen. Klobuchar und O'Rourke werden wohl demnächst auf Werte unterhalb der Erfassungsgrenze fallen. Und alle anderen werden diese wohl erst mal nicht verlassen.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

05.07.2019

Nach der Debatte und eine etwas andere Umfrage

Die erste Debatte ist rum, für viele Kandidaten war es die erste Gelegenheit wirkliche nationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen- Für viele Kandidaten heißt das auch, dass der große Teil der Zuschauerschaft das erste Mal überhaupt von diesen Kandidaten gehört hat. Typischer Weise bewegt sich nach der ersten Debatte ordentlich was in den Umfragen. Ein paar Tage sind vergangen und es zeichnen sich tatsächlich deutliche Bewegungen ab:

Gewinner
- Kamala Harris (und eigenltich nur Kamala Harris)

Nicht gewonnen, nicht verloren
- Elizabeth Warren

Verloren
- Insbesondere Joe Biden
- Insbesondere Bernie Sanders
- Alle anderen (Entweder tatsächlich Prozentpunkte verloren oder es nicht geschafft aus dem <2%-Bereich heraus zu kommen)

Das ist eine große Überraschung. Kandidaten wie Cory Booker und Julien Castro galten einst als aussichtsreich dümpelten aber in den Umfragewerten im niedrigen einstelligen Bereich vor sich hin. Trotz überzeugender Performance und obwohl sie sich deutlich vom Feld abgehoben haben, hat sich bei ihnen kaum was bewegt. Überraschend auch, dass Buttigieg ein paar Prozent verloren hat. Buttigieg hatte kaum Bekanntheit aber trotzdem solide Umfragen. In dieser Kombination ist bei einem starken Auftritt vor nationalem Publikum ein deutlicher Anstieg zu erwarten.

Obwohl sich Elizabeth Warren sehr gut präsentiert hat verharrt sie auch mehr oder weniger auf ihren Umfragewerten. Da sie jedoch jüngst ordentlich zugelegt hat, ist es auf der anderen Seite schon ein Erfolg diesen Wert festigen zu können. Was erst als Vorteil gesehen wurde hat sich jetzt als Nachteil herausgestellt. Da sie in den Topf der ersten Debatte gerutscht ist, hatte sie eine außerordentlich schwache Konkurrenz, sie war der einzige Top-Kandidat bei dieser Debatte, in der sie zwar die mit Abstand beste Leistung darbot, in der sie sich aber auch mit niemand relevanten messen konnte. Die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit lag eindeutig auf der zweiten Debatte.

Tatsächlich scheint es so zu sein, dass der Schlagabtausch Kamala Harris gegen Joe Biden Harris alle Augen auf sich gezogen hat und sie sich, auf Kosten der Alten MännerTM, massiv nach oben gearbeitet hat. Lag sie in den Umfragen seit März immer irgendwo zwischen 5 und 10 Prozent (Tendenz eher fallend), ist sie nun auf 10 bis 20 Prozent hochgeschossen, während Biden fast 10 Prozent und Sanders knapp 5 Prozent verloren haben. Für Sanders besonders bitte da er sich sowieso schon auf einem Tiefststand befunden hatte. Sollte sich diese Tendenz verfestigen und Warren noch etwas zulegen (danach sah es ganz jüngst aus) könnte der Zweikampf um die Kandidatur Harris gegen Warren heißen und nicht Biden gegen Sanders. Seien wir gespannt welche Kandidaten bei der zweiten Debatte in welchem Topf landen.

Kommen wir noch zu einer sehr aufschlussreichen Umfrage. Die Frage "Welchen Kandidaten unterstützen Sie?" ist sehr naheliegend, kann aber bei einem so großen Feld zu zahlreichen Fehlschlüssen führen. Wenn der Kandidat mit den besten Werten bei gerade einmal 30 Prozent rumdümpelt, bleiben viele Fragen unbeantwortet, nämlich vor allem die, hinter welchem Kandidaten sich am ehesten die gesamte Partei versammeln könnte, was bei einem Erfolg gegen Trump als unabdingbar gilt.

Mit 25% schafft man es auf Platz zwei, wenn einen aber 75% der Partei hassen, wird man trotzdem keinen Blumentropf gewinnen.

In einer WaPo/ABS News Umfrage [1] wurde daher gefragt, mit welchem Kandidaten wären sie nicht zufrieden. Gewinner ist hier natürlich wer das niedrigste Ergebnis erzielt. Dieser Preis geht dieses Mal an… …Elizabeth Warren. Gerade einmal 8% der Demokraten würden ihre Kandidatur gegen Trump negativ sehen. So gesehen kann man ihr im Feld ein sehr großes Potential nach oben zusprechen und die Fähigkeit, die gesamte Partei hinter sich zu vereinen. Beeindruckend für eine linksliberale Populistin aus einem verakademisierten Westküstenstaat. Ihre Botschaft scheint auf jeden Fall auf ein breites Echo zu stoßen, auch außerhalb ihrer klassischen Klientel.

Damit ihr von den Kandidaten ein Gesicht bekommt, werde ich dieses Wochenende hoffentlich dazu kommen eine kleine Übersicht mit Youtube-Videos (Verkündung der Kandidatur, Wahlwerbespots oder Imagefilme) der Kandidaten mit Umfragewerten von mehr als 1% zusammenstellen.

https://www.washingtonpost.com/politics ... d3f9ca83d3

Pete
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

26.08.19 Senatswahlen - Updates

Da sich bei den Bewerbern zur Präsidentschaft nicht viel bewegt (und das trotz einer weiteren Debatte die zwischenzeitlich gelaufen ist) wende ich mich jetzt mal noch den ebenfalls anstehenden Wahlen zum Senat zu. Der Senat ist das Oberhaus des amerikanischen Parlaments und die Republikaner haben dort derzeit eine Mehrheit. Was dem Senat zu besonderer Bedeutung verhilft ist die Tatsache, dass Richter für den Obersten Gerichtshof (die auf Lebenszeit ernannt werden) und Minister vom Senat bestätigt werden müssen. Außerdem kann der Senat Gesetzesvorhaben blockieren indem er dagegen stimmt oder erst gar nicht zur Abstimmung bringt. Die Amtszeit eines Senators beträgt sechs Jahre und alle drei Jahre werden regulär ein Drittel der Senatoren wieder oder neu gewählt. 2020 wird zusätzlich mindestens noch außerplanmäßig ein Senator von Arizona gewählt (bedingt durch den Tod John McCains) und ein weiterer Senator von Georgia da der Amtsinhaber aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt. Momentan sind 53 Senatoren Republikanisch, 45 Demokratisch und 2 Unabhängig wobei die beiden Unabhängigen stark bis sehr stark zu den Demokraten tendieren (einer von ihnen, Bernie Sanders (VT) kandidiert sogar als demokratischer Präsidentschaftskandidat). Da bei Gleichstand der Vizepräsident der Tiebreaker ist, müssen die Demokraten im Falle eine Sieges bei der Präsidentschaftswahl drei Sitze erobern, entsprechend mehr, wenn sie noch Staaten an die Republikaner verlieren. Doug Jones (D-AL) ist aufgrund von besonderen Umständen Senator von einem Staat geworden der sehr stark zu den Republikanern tendiert und es ist sehr fraglich, ob er diesen Erfolg wiederholen kann. Demnach müssten die Demokraten also den Republikanern vier Staaten abjagen. Die Karte ist eher den Demokraten zugeneigt da sehr viele republikanische Senatoren zur Wahl stehen (allerdings viele in Staaten die stark republikanisch geprägt sind) und die demokratischen Senatoren (bis auf Doug Jones) relativ sicher sind. Konzentrieren wir uns also auf die Staaten die derzeit einen republikanischen Senator stellen und in denen die Demokraten Chancen haben eine Wahl für sich zu entscheiden.

Jeweils in alphabetischer Reihenfolge

Heiße Kandidaten

Arizona: Martha McSally ist Senatorin von Arizona obwohl sie die letzte Wahl verloren hatte. Als John McCain verstorben ist, setzte der Gouverneur von Arizona einen ehemaligen republikanischen Senator als Nachfolger ein, der aber nur kurz im Amt war. Anschließend nominierte er Martha McSally. Allein dieser Umstand macht sie schon angreifbar. Darüber hinaus bewegt sich der Staat seit einiger Zeit immer weiter in Richtung der Demokraten, die mittlerweile eine Senatorin und die Mehrzahl der Abgeordneten aus diesem Staat stellen. Darüber hinaus haben die Demokraten mit dem Astronauten Mark Kelly einen veritablen Kandidaten gefunden.

Einschätzung: Sehr gute Chancen für die Demokraten

Colorado

Amtsinhaber Cory Gardner ist in seinem Heimatstaat sehr unbeliebt, außerdem ist Colorado mittlerweile an der Schwelle zum Blue State, seit George W. Bush hat kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr den Mountain State gewonnen. Außerdem hat sich John Hickelnlooper der sehr beliebte ehemalige Gouverneur des Staates erst kürzlich aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur gezogen und angekündigt für den Senat kandidieren zu wollen. Hickenlooper führt in Vorabumfragen schon mit zweistelligem Vorsprung.

Einschätzung: #1 Target für die Demokraten. Das sollte eigentlich eine sichere Kiste werden.

Maine

Susan Collins gehört eigentlich zu der aussterbenden Rasse der moderaten, gesellschaftlich eher liberalen Nordostküsten-Republikanern. Eigentlich heißt hier, dass sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle trumpfreundlich gestimmt hat, inklusive der Durchwinkung des letzten sehr umstrittenen Kandidaten für den obersten Gerichtshof. Und das könnte ihr in dem tendenziell eher demokratischen Staat im äußersten Nordosten massiv auf die Füße fallen. Eine stake Kandidatin haben die Demokraten bereits gefunden und erste Umfragen sehen nicht so schlecht aus. Allerdings sollte man Collins nicht unterschätzen und sie ist in Main stark verankert und ist recht beliebt.

Einschätzung: Gute Chancen, könnte aber knapp werden, insgesamt schwierig einzuschätzen.

Mögliche Kandidaten:

Georgia + Georgia Special

Georgia ist zwar ein Staat der seit vielen Jahrzehnten republikanisch wählt aber das stetige Wachstum des Großraums Atlanta und der Eroberung der Vorstädte durch die Demokraten wenden langsam das Blatt und haben bei den letzten Wahlen zum Repräsentantenhaus zu beachtlichen Erfolgen für Team Blau geführt. Außerdem war das Rennen um den Gouverneursposten den die Demokraten verloren haben erstaunlich knapp. Leider hat die damalige Kandidatin Stacy Abrahms eine Kandidatur bereits ausgeschlossen, wahrscheinlich schielt sie bei einem Erfolg Joe Bidens auf das Ticket zur Vizepräsidentschaft. Sollten die Demokraten aber einen oder zwei starke Kandidaten finden wäre hier einiges möglich. Vor allem da hier durch den Rücktritt des anderen Senators und Interimsernennung durch den Gouverneur von Georgia ein weiteres Rennen auf der Karte steht bei dem der Amtsinhaberbonus fast vollständig entfällt. Andererseits haben die Republikaner in diesem Staat schon oft unfair gespielt und diverse Wahlgesetze zu ihren Gunsten geändert.

Einschätzung: Schwierig einzuschätzen, kommt auf den Kandidaten an.

North Carolina

Thom Thillis ist sehr unbeliebt und sein Stuhl wackelt. Außerdem hat North Carolina eine bedeutende demokratische Wählerschicht (etwa die Hälfte der parteilich registrierten Wähler gehört zu den Demokraten), auch wenn der Staat tendenziell eher den Republikanern zugeneigt ist, 2008 hat hier Barack Obama gewonnen. Hier wird sich viel damit entscheiden, welchen Kandidaten die Demokraten aufstellen und ob der Präsidentschaftswahlkampf die eigenen Wähler mobilisiert. Wenn der Tar Heel State nach oben auf der Liste der Ziele für die Präsidentschaftswahl rutscht kann sich das deutlich auf die Mobilisierung auswirken. Darüber hinaus hat ein Gericht die für die Demokraten extrem nachteilige Einteilung der Wahlkreise für unrechtmäßig erklärt was den Demokraten weiteren Auftrieb verleihen könnte.

Einschätzung: Gute Chancen wenn die Rahmenbedingungen passen.



Unwahrscheinlich aber noch erwähnenswert

Iowa

Iowa ist ein Swingstate der 2018 stark zu Donald Trump tendiert hat, in dem Team Rot aber bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus starke Verluste verzeichnete und nun nur noch einen Abgeordneten aus dem Staat schickt. Mit dem richtigen Kandidaten könnte hier was gehen aber die Amtsinhaberin Joni Ernst ist relativ beliebt und leider verläuft die Kandidatensuche bei den Demokraten nicht sehr gut.

Einschätzung: Nur im Spiel wenn Team Blau noch einen starken Kandidaten findet.

Kansas

Kansas ist eigentlich tiefrot. Allerdings haben die Republikaner hier viel Vertrauen verspielt. Die Steuersenkungen die durchgeführt worden sind und eigentlich Unternehmen anlocken sollten haben den Staat finanziell ruiniert und keine Unternehmen angelockt. Deshalb hat es letztes Jahr sogar eine Demokratin ins Haus des Gouverneurs geschafft. Der damalige unterlegene Kandidat Kris Kobach will nun wieder antreten, der republikanische Amtsinhaber geht in den wohlverdienten Ruhestand. Kobach ist mehr als umstritten und unbeliebt, hat aber eine Fanbase die ihm in einer überfüllten Vorwahl wahrscheinlich den Sieg sichern wird. Finden die Demokraten jetzt noch einen guten Kandidaten könnte der Sunflower State ins Spiel kommen.

Einschätzung: Abhängig davon, ob der republikanische Kandidat Kris Kobach heißt und ob die Demokraten jemand geeignetes finden können.

Kentucky

Kentucky ist tiefrot und viele sind Fan von Donald Trump. Der Mehrheitsführer im Senat Mitch McConnel ist aber extrem unbeliebt, die Demokraten haben hier einen kleinen PR-Coup gelandet und ihm wegen seiner möglichen Russlandverbindungen im Rahmen der letzten Präsidentenwahl den leicht verfänglichen Spitznamen "Moscow Mitch" angehängt. Mit der ehemaligen Kampfjetpilotin Amy McGrath haben die Demokraten ihre Wunschkandidatin gefunden. Wahrscheinlich wird viel vom Ausgang der Präsidentschaftswahl abhängen, sollten die Demokraten jemanden aufstellen der nicht stark polarisiert (Joe Biden) könnte hier was gehen.

Einschätzung: Hängt stark davon ab wie viele Wähler aus Kentucky ihr Kreuz bei Donald Trump machen.

Mississippi

In Mississippi wird es zu einer Neuauflage der Wahl von 2018 kommen, nämlich des Demokraten und ehemaligen Ministers Mike Espy gegen die Republikanerin Cindy Hyde-Smith, die Hyde-Smith 2018 mit Abstand aber nicht mit richtig viel Abstand für sich entscheiden konnte. Sollte durch die gleichzeitig stattfindende Präsidentschaftswahl hier ordentlich mobilisiert werden könnte für Espy etwas gehen.

Einschätzung: Stark von der Mobilisierung abhängig.

Montana

Montana wähl bei Präsidentschaftswahlen stark republikanisch, bei anderen Wahlen aber nicht zwingend, so ist einer der beiden Senatoren und der amtierende Gouverneur Demokrat. Steve Daines ist Republikaner und steht zur Wiederwahl, sollte Steve Bullock, besagter amtierender und beliebter Gouverneur seine unsinnigen Ambitionen auf die Präsidentschaft aufgeben und sich stattdessen um einen Sitz im Senat bewerben, könnte es hier spannend werden.

Einschätzung: Alles hängt von Steve Bullock ab.

Texas

In Texas haben die Demokraten Morgenluft gewittert. Die massiven Verschiebungen in den vorstädtischen Gebieten und bei Latinos an denen Texas bei beidem sehr reich ist machen aus diesem ehemals tiefroten Bundesstaat immer mehr ein lohnendes Ziel für Team Blau. Die Frage ist, ob es jetzt schon dafür reicht. Die Demokraten haben zwar mit MJ Hegar ihre Wunschkandidatin gefunden aber der Amtsinhaber John Cornyn ist nicht unbeliebt und hat sich auch nicht viel zu Schulden kommen lassen. Einzige Chance wäre vielleicht der Fall, dass die Demokraten hier Chancen bei der Präsidentschaftswahl sehen und zusammen mit der Möglichkeit einige Sitze im Repräsentantenhaus zu erobern hier eine Großoffensive starten, in der Hoffnung, dass sich die drei Rennen gegenseitig positiv beeinflussen.

Einschätzung: Wahrscheinlich noch zu früh, hängt auch viel an der grundsätzlichen Strategie der Demokraten.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

03.10.2019

Impeachment oder so

So, ein paar persönliche Gedanken zu dem Thema.

Sollte Donald Trump seines Amtes enthoben werden?
-> Definitives Ja. Die Verfassung sieht eine Amtsenthebung bei „high crimes and misdemeanors“ vor. Fehlverhalten hatten wir bereits, mit „high crimes“ sind nicht etwa schwere Verbrechen gemeint sondern tatsächlich „hohe Verbrechen“ also Verbrechen, die der Präsident von Amtswegen aufgrund seiner Befugnisse tun kann. Dies war bei Nixon der Fall als die Watergateaffäre ans Licht kam (gegen Nixon wurde jedoch kein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, als sich abzeichnete, dass für dieses Verfahren die nötigen Mehrheiten zusammenkommen sollten ist er zurückgetreten). Bei Clinton war dies eher nicht der Fall (Meineid ist meiner persönlichen Einschätzung zu Folge kein „high crime“, es ist aber bemerkenswert, dass die Republikaner bei einem Präsidenten der Demokraten ein Amtsenhebungsverfahren anstrengen weil er, ein erwachsener Mann, ein einvernehmliches Knick-Knack-sie-wissen-schon mit einer erwachsenen Frau hatte und darüber gelogen hat, ein solches Verfahren aber bei dem was sich Trump geleistet hat ablehnen.


Wenn Ja, welchen „hohen Verbrechens“ hat er sich denn schuldig gemacht
-> Trump und sein Personal haben einen Ausländer (den ukrainischen Präsidenten) im Austausch für Gefälligkeiten (zugesicherte Hilfsgelder freigeben, die man ihnen sonst vorenthalten würden) um Informationen gebeten um eine zukünftige Wahl zu beeinflussen. Das ist schon mal illegal. Da es sich hier im eine Investigation handelt ist es zudem illegal, dass hier Nichtregierungspersonal beteiligt ist, in diesem Fall Rudy Guiliani.


Wir er seines Amtes enthoben werden?
-> Nein. Machen wir uns nichts vor. Trump könnte mit einem toten Mädchen, einem lebendigen Jungen und Putin persönlich im Bett überrascht werden. Für eine Amtsenthebung bräuchte man die Mehrheit im Repräsentantenhaus und eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat. Das bedeutet im Senat müssten 20(!!!) Republikaner für eine Amtsenthebung stimmen. Eher friert die Hölle zu.


Warum dann überhaupt versuchen?
-> Na ja, Trump hat nun mal diese Vergehen begangen, jeder halbwegs rechtschaffene Mensch, der etwas zu sagen hat müsste dann die im Gesetz vorgesehenen Sanktionsmechanismen in Gang setzen. Außerdem haben Trump und die Republikaner eine Menge zu verlieren, selbst wenn das Verfahren scheitert. Die Befürchtung ist da, dass das Verfahren die Basis von Trumps Wählerschaft mobilisieren wird. Ein Verfahren, das scheitert mobilisieren? Das glaube ich eher nicht. Wenn, dann wird das eher die Wählerschaft der Demokraten mobilisieren. Man kann dann sagen: „Seht her, die Republikaner weigern sich hinter Recht und Ordnung zu stehen. Wir können sie nur über eine einzige Sache zur Rechenschaft ziehen: Über die Wahlurne“. Tatsächlich könnte die Lage dann sehr brisant werden. Die Zustimmungswerte für Trump sind eh schon beschissen, vor allem in einigen wahlentscheidenden Bundestaaten. Und scheitert das Amtsenthebungsverfahren könnte, und ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster, Texas wackeln. Und wenn Texas an die Demokraten geht, ist das für die Republikaner das Todesurteil. Es gibt nichts, keine Strategie, keinen Weg der noch irgendwie zum Sieg führen könnte. Riskant es auch für die Senatoren und Abgeordneten de 2020 zu Wahl stehen gegen eine Amtsenthebung zu stimmen. In deren Lage möchte ich nicht sein. Stimmen sie dafür werden sie ewig als Verräter gebrandmarkt sein, stimmen sie dagegen wird sie das Wahlvolk zerfleischen.


So oder so, es wird spannend…
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

08.10.2019

Kleiner Exkurs in Staatstheorie

Seit dem zweiten Weltkrieg gab es in den Vereinigten Staaten nur ein Amtsenthebungsverfahren (gegen Präsident Bill Clinton (D)) und zwar im Jahr 1998, das einzige seit dem zweiten Weltkrieg. Einem sicheren Amtsenthebungsverfahren gegen Richard Nixon (R) ist Tricky Dick durch Rücktritt zuvor gekommen. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton wurde damals im Senat gestoppt, für eine Amtsenthebung ist im Senat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, damals wurde allerdings nicht mal die absolute Mehrheit erreicht, da einige Republikaner für Bill Clinton votierten. Nun stellt sich die Frage, wären solche Verfahren auch gegen den deutschen Regierungschef, also die Bundeskanzlerin möglich?

Die Antwort ist einfach: Nein, so etwas gibt es nicht. Die Regierungssysteme Deutschlands und der Vereinigten Staaten unterscheiden sich grundlegend. Die Vereinigten Staaten besitzen ein präsidentielles System, während es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um eine parlamentarische Demokratie handelt.

In den USA wird der Präsident direkt durch das Volk gewählt und von diesem somit direkt legitimiert, dadurch erhält der Präsident eine besonderen Machtfülle (einen Umstand den man in Deutschland, aufgrund der schlechten Erfahrungen mit großer Machtfülle einzelner Personen, vermeiden wollte *hust*). Der amerikanische Präsident braucht somit keine parlamentarische Mehrheit um im Amt zu bleiben, theoretisch könnte der Präsident weder in der einen, noch in der anderen Kammer eine Mehrheit haben und trotzdem (eingeschränkt) regieren, das kommt gar nicht so selten vor, das letzte mal am Ende der Amtszeit Barack Obamas (D). Auch jetzt befindet sich zumindest das Unterhaus des Parlaments unter Kontrolle der Demokraten.

In einem solchen System muss einer Willkürherrschaft, die sich über das Gesetz stellt, einen Riegel vorgeschoben werden, dies ist das Amtsenthebungsverfahren. In Deutschland ist es die Aufgabe des Bundestages über die Arbeit der Regierung zu wachen. Sollte die Regierung nicht mehr das Vertrauen des Parlaments besitzen, so kann die Vertrauensfrage gestellt werden und somit die Bundeskanzlerin aus dem Amt geworfen werden, sofern diese verloren wird.

Von der Denkweise her ist es also so, dass in einem präsidentiellem System der Präsident in seinem Amt bleibt, wenn er nicht gegen geltendes Recht verstößt (uns sollte er das tun, muss dies von einer qualifizierenden Mehrheit noch festgestellt werden), in einem parlamentarischen System müssen die Abgeordneten aktiv das Vertrauen aussprechen, mindestens einmal, bei der Wahl, unter Umständen auch im Rahmen einer Vertrauensfrage.
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

23.11.2019

Impeachment – Der Weg ist das Ziel und drei unwahrscheinliche Szenarien



Für die Demokraten läuft es im gegenwärtig laufenden Impeachmentverfahren ganz gut. Sie könnten den Sieg davon tragen, auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass Trump wirklich seines Amtes enthoben wird.

Und genau aus diesem Grund werde ich euch jetzt nicht mit den Detail der Dinge langweilen, um die sich die ganze Sache gerade dreht. Denn dass die republikanischen Senatoren nicht für eine Amtsenthebung aussprechen werden war von Anfang an klar. Und wird immer klarer.

Anstatt das sinkende Schiff zu verlassen klammern sich die Ratten immer noch fester daran. Das wird z.B. klar wenn man aktuelle Aussagen beispielsweise von Senator Thom Thillis hört (R-NC), der nächstes Jahr zur Wahl steht. Und die wird immer unwahrscheinlicher wenn man bedenkt, dass er so oder so zu den Wackelkandidaten gehört hat. Und wenn man dann noch bedenkt, dass Donald Trump nicht gerade die besten Zustimmungswerte in North Carolina einfährt, kommt man zu dem Schluss, dass hier echte Chancen für die Demokraten entstehen Senatssitze zu erobern.

Wenn wir realistisch sind, wird das bei den Senatorinnen und Senatoren Joni Ernst (R-IA), Susan Collins (R-ME), Cory Gardner (R-CO) und Martha McSally (R-AZ) nicht anders aussehen. Wenn es weiter so geht werden diese von ihren Wählern im nächsten November dafür (hoffentlich) zermalmt. Die Frage ist, warum tun sie sich das denn dann um Himmels Willen an?

Die Antwort lautet: Angst. Jeder Republikaner der in dieser Sache ausschert, wird von Donald Trump mit Hass überschüttet werden. Und nicht nur von ihm. Jeder Rebell könnte auch Ziel seiner potentiell gewalttätigen Anhänger werden. Oder seiner loyalen republikanischen Kollegen.

Nicht ohne Grund hat im Repräsentantenhaus keiner der republikanischen Abgeordneten für den von den Demokraten vorgeschlagenen Modus zum Impeachmentverfahren gestimmt (man bedenke, hier wurde nicht über die Amtsenthebung abgestimmt sondern nur darüber, wie die Vorbereitungen dazu organisiert werden sollen). Justin Amash (I-MI) wusste schon sehr genau warum er die Partei schleunigst verlassen hat, nachdem er beschloss zum Renegade zu werden.

So gesehen müssen sich die Demokraten keine Gedanken machen ob sie das Impeachment durch kriegen. Ihnen kann es nur noch drum gehen dem Präsidenten rote Linien aufzuzeigen und ihn und die ganze republikanische Partei maximal in Diskredit zu bringen. Denn es geht nicht nur um das Weiße Haus. Mindestens genauso wichtig (manche sagen sogar noch wichtiger) ist es nächstes Jahr die Mehrheit im Senat zu erobern. Zum einen weil der Senat Richter am Obersten Gerichtshof wählt, die auf Lebenszeit (!) ernannt werden, zum anderen auch, weil der Senat, sofern er von der Partei kontrolliert wird die nicht den Präsidenten stellt, Gesetzesvorhaben blockieren kann.

Und die Chancen standen nicht gerade gut, dass die Demokraten das schaffen können. Aber sie steigen kontinuierlich. Mit jeder weiteren Enthüllung und mit jedem Prozent mehr Unterstützung für eine Amtsenthebung. Momentan liegt die Zustimmung für diesen Prozess bei 51%. 19% finden das Verhalten Trumps falsch aber nicht amtsenthebungswürdig, 30% finden das alles völlig in Ordnung. Diese 30% ist exakt seine Fanbase die alles was Trump machen gut findet, auch wenn er ohne Grund jemanden auf der 5th Avenue abknallen würde.

Das bedeutet, dass praktisch alle anderen Amerikaner nun gegen ihn sind. Man sollte sich aber noch nicht zu früh freuen. 30% können bei einer Wahlbeteiligung von etwas über 60% reichen, vor allem wenn diese wie in Trumps Fall strategisch günstig verteilt sind. Trotzdem schadet es dem Vorhaben der Wiederwahl massiv. Und wie gesagt, auch die Mehrheit im Senat gerät dadurch immer mehr in Gefahr.

Dass Trump am 3. November 2020 (Tag der Wahl) noch Präsident ist, ist überaus wahrscheinlich. Und um den Fall, dass es nicht so kommt, hier auch noch zu beleuchten, nun drei unwahrscheinliche aber nicht unmögliche Szenarien:


Der „Verfall“-Fall

Trump möchte einem das Gegenteil verkaufen, doch weder mit seiner geistigen, noch mit der körperlichen Verfassung steht es besonders gut. Manche Ärzte vermuten bei ihm Anzeichen einer beginnenden Demenz (besonders beachtlich ist hier die „Nuclear“-Rede(*) die er einmal im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung gehalten hat die, gelinde gesagt, völlig wirr ist. Außerdem hinterlassen massiver Fast-Food-Konsum, Bewegungsmangel und sein Alter zwangsläufig Spuren. Unterstützt wird diese These von einer kürzlich durchgeführten ungeplanten ärztlichen Untersuchung über deren wahre Hintergründe nur gemutmaßt werden kann. Hinzu kommt sein psychischer Zustand der sowieso Anzeichen von Labilität aufweist. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass dieser sich unter Druck z.T. deutlich verschlechtert. Es ist durchaus denkbar, dass er in den nächsten Wochen ein Herzinfarkt oder einen Nervenzusammenbruch erleidet. Was dann passiert ist völlig offen.


Der „Es gibt doch noch Vernünftige“-Fall

Vielleicht gibt es sie ja doch noch. Echte Helden. Politiker die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind und bereit sind, sich selbst zu opfern, zum Wohl des Volkes. Kaum zu glauben aber nicht undenkbar. Vielleicht eine Sen. Lisa Murkowski (R-AK)? Oder ein Mitt Romney (R-UT)? Ben Sasse (R-NE)? Richard Shelby (R-AL)? Vielleicht findet sich ja ein kleines Grüppchen von rational denkenden, verfassungstreuen und verantwortungsbewussten Senatoren und inspirieren andere, die vielleicht innerlich schwanken dazu sich ihnen anzuschließen. Trump muss gehen. Mike Pence ist Präsident und dieser würde die Wahl 2020 mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren. Und falls Pence so tief verstrickt ist, dass auch er gehen muss? Dann wird es richtig witzig. Denn dann ist die gute alte Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi (D-CA) Präsidentin.


Der „Smoking-Gun“-Fall

Er kommt tatsächlich. Der sprichwörtliche rauchende Colt. Der absolut unumstößliche Beweis, der mit nichts auf der Welt zu wiederlegen oder zu verargumentieren ist. Wie im Fall von Watergate Nixons Tonbandaufnahmen. Das ganze Kartenhaus, das sich republikanische Verteidigungsstrategie nennt, bricht zusammen. Bam. Trump wird seines Amtes enthoben. Alle sind geschockt. Ende. Aus. Kann schon Zeit, dass noch ein unerwarteter Zeuge um die Ecke kommt und so was in der Tasche hat. Vielleicht John Bolton? Oder einer aus dem heimlichen Widerstandszirkel des Weißen Hauses? Oder (nicht auszuschließen) Trump selber, der sich verplappert oder versehentlich eine Mail weiterleitet? Vielleicht gibt es diese Smoking Gun auch schon. In einem monatealten, kaum beachteten Artikel einer Ostküstenzeitung namens „The Atlantic“ wurde berichtet, dass scheinbar eine Reihe von Whistleblowen heimlich Kontakt zu der Demokratischen Partei aufgenommen haben. Vielleicht ist dieses ganze Zeugen verhören auch eine einzige Show bei der Adam Schiff (D-CA), der das Verfahren gegenwärtig leitet, die Republikaner eine Argumentation aufbauen lässt, nur um sie am Schluss mit dem Beweis, den er die ganze Zeit hatte, zu zerstören. Irgendwie gibt es mittlerweile nichts mehr, was einem unmöglich erscheint…


(*) “Look, having nuclear — my uncle was a great professor and scientist and engineer, Dr. John Trump at MIT; good genes, very good genes, OK, very smart, the Wharton School of Finance, very good, very smart — you know, if you’re a conservative Republican, if I were a liberal, if, like, OK, if I ran as a liberal Democrat, they would say I’m one of the smartest people anywhere in the world — it’s true! — but when you’re a conservative Republican they try — oh, do they do a number — that’s why I always start off: Went to Wharton, was a good student, went there, went there, did this, built a fortune — you know I have to give my like credentials all the time, because we’re a little disadvantaged — but you look at the nuclear deal, the thing that really bothers me — it would have been so easy, and it’s not as important as these lives are — nuclear is so powerful; my uncle explained that to me many, many years ago, the power and that was 35 years ago; he would explain the power of what’s going to happen and he was right, who would have thought? — but when you look at what’s going on with the four prisoners — now it used to be three, now it’s four — but when it was three and even now, I would have said it’s all in the messenger; fellas, and it is fellas because, you know, they don’t, they haven’t figured that the women are smarter right now than the men, so, you know, it’s gonna take them about another 150 years — but the Persians are great negotiators, the Iranians are great negotiators, so, and they, they just killed, they just killed us, this is horrible.”
Quelle: https://www.snopes.com/fact-check/donal ... -sentence/
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Re: Wahlen und Zahlen

Beitrag von DonJohnny »

12.12.2019



Ankündigung Teil 1: Ich habe es ja schon geschrieben, aber hier nochmal als offizielle Ankündigung

Ich freue mich darauf mit euch zusammen am 03. November 2020 die Fernsehübertragung der Präsidentschafts-, Senats-, und Repräsentantenhauswahlen anzuschauen. Steffen hat signalisiert, dass wir hierfür ins Jugendwerk gehen könnten, das heißt wir haben jede Menge Sofas, einen Beamer, etc.

Die Einladung gilt natürlich auch für alle Jugenwerksmitarbeiter und Politikinteressierte. Stellt euch darauf ein, dass es wahrscheinlich gegen 01:30 morgens losgehen wird. Für alle die komplett dabei sein wollen lohnt es sich, sich den nächsten Tag frei zu nehmen, der Wahltag in den USA ist traditionell ein Dienstag.

Da die Vereinigten Staaten in verschiedenen Zeitzonen liegen und auch die Bundestaaten verschiedene Zeiten haben an denen die Wahllokale schließen, trudeln die Einzelergebnisse die ganze Nacht lang ein. 2012 hat es bis sechs Uhr morgens gedauert, bis sich sicher abgezeichnet hatte, wer gewonnen hat.

Für diejenigen, die nicht durchmachen wollen aber gerne früh aufstehen, ggf. lohnt es sich noch um vier oder fünf Uhr morgens dazu zu stoßen.

Es lohnt sich auch für Leute mit wenig Vorwissen, wir werden auf jeden Fall eine kleine Einführung ins amerikanische Wahlsystem machen und nochmal darstellen, bei welchen Bundesstaaten es spannend wird.

Ich freue mich auf euch!



Ankündigung Teil 2: Frequenzwechsel

Wir streben auf den Jahreswechsel zu und dann ist es auch nur ein Monat bis zur ersten Vorwahl. Im Zuge dessen werde ich die Frequenz von etwa monatlich auf etwa wöchentlich erhöhen, ggf. auch täglich in der Endphase des Wahlkampfes. Da ich nicht so viel Zeit habe immer längere Artikel und Analysen zu schreiben werde ich euch auch Neuigkeiten in kompakterer Form präsentieren.
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