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Philosophie mit Herr Schrader

Verfasst: Mo Okt 18, 2004 17:39
von Daniel
So grüß euch, liebe Leser!

Da ich mich gerne mit philosophischen Fragestellungen beschäftige, soll auch dieses Forum nicht davon verschont bleiben. Um den Kolateral-Schaden jedoch möglichst gering zu halten, will ich mich auf diesen einen Thread beschränken.

Zur Diskussion sind jedoch alle eingeladen, wenngleich ich nicht verspreche auf jede Fragestellung, Anregung oder Kritik einzugehen.

Der Utopismus als politische Ideologie des 21. Jahrhunderts

Verfasst: Mo Okt 18, 2004 17:42
von Daniel
Der Utopismus als politische Ideologie des 21. Jahrhunderts

Erwähnenswert finde ich diesen Artikel ais mehreren Gründen. Aber lest selbst, ihr werdet bestimmt merken, was ich meine.

Unser Geldsystem - Ein System mit Verfallsdatum

Verfasst: Mo Okt 18, 2004 17:52
von Daniel
Unser Geldsystem - Ein System mit Verfallsdatum

Auch dieser Artikel sollte zum nachdenken anregen. Vielleicht ist eine Aktienfond doch nicht die beste Absicherung...

Verfasst: Mi Okt 20, 2004 18:42
von Heufchen
Zu dem Utopiethema kann ich falls es von Interesse ist noch mein Referat zu Thomas Morus - Utopia posten, wenn es fertig ist :)

Ich finde, der Artikel bietet interessante Ansätze. Um Missverständnissen vorzubeugen: In Utopia wird die Umgebung durchaus als Utopie eindeutig beschrieben, nur dass der Protagonist diese nicht als solche versteht (sondern eben als Realität).

Aber leider ist die "Umsetzung" dieses... ich nenne es mal Vorschlag wie leider fast immer ziemlich vage in einem Satz verdeutlicht.

Verfasst: Mi Okt 20, 2004 18:52
von Daniel
Heufchen hat geschrieben:Aber leider ist die "Umsetzung" dieses... ich nenne es mal Vorschlag wie leider fast immer ziemlich vage in einem Satz verdeutlicht.
Hmm... Ich dachte eigentlich ich müsste es nicht extra posten, aber da es scheibar noch nicht ganz klar wurde, muss ich ein kleines bisschen ausholen:
Die Forderung die sich daraus ergibt ist eindeutig und klar. Schafft Utopien – jeden Tag eine. Bildet Gemeinschaften in der es nicht um die Frage geht ob diese Utopie existieren könnte, sondern um die Frage wo sie schon existiert und wie man dort hinkommt.
Die größte und stärkste Utopie, diejenige die sich selber am wenigsten in Frage stellt, wird am Ende das Antlitz unser Erde vollkommen verändern.
Dies ist die Schlußfolgerung des Artikels. Interessant hierbei finde ich jetzt z.B. die Parallelen zum Rollenspiel. Im Besonderen zu unserem Verein. Und da wiederum im Besonderen beim bei uns vorherrschenden "Wettstreit der Systeme". Durch das Spielen in einer Rollenspielwelt schafft man Utopien. Unser Verein mit seiner Gemeinschaft ist eine "Utopie", die zur Erprobung Wirklichkeit wurde.

Leset und lernet...

Verfasst: Do Okt 21, 2004 16:37
von Heufchen
Ok, da kann ich nicht so direkt mitreden, aber ich denke nicht, dass man einen Verein direkt als Utopie bezeichnen kann...
Zur Utopie gehört meist auch die Vorstellung vollkommenen Glücks, das jeder für sich selbst anders empfindet. Oder wie hast du das gemeint?

Verfasst: Mi Feb 09, 2005 15:44
von Christoph
So, wie versprochen werde ich in den folgenden Tagen mal Stellung nehmen zu Daniels Artikel über die "Nichtexistenz Gottes" (Zu finden hier


Artikel 1:
Wer ist Gott?

Zitat 2.Mose 20 Vers 2: "Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause, geführt habe." Dieser Gott stellt sich so selbst im ersten der Zehn Gebote vor. Auch Jesus Christus läßt dieses Gottesbild bestehen, fügt aber die Eigenschaften der unendlichen Gnade und Liebe hinzu.

Nun das Problem: Als Moses mit seinem Volk in ägyptischer Gefangenschaft war, ließ Gott jede Erstgeburt (Mensch, Tier, Pflanze) töten, um den Pharao unter Druck zu setzen und ihn dazu zu bewegen, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu entlassen.
Dies tat der Herrscher Ägyptens, erkannte jedoch kurz darauf, wie irrational er gehandelt hatte. Sein gesamtes Heer nahm die Verfolgung auf und mußte auf Gottes Willen hin in den Fluten des Roten Meeres umkommen. Die Öffnung und Schließung des Meeres geschah ausdrücklich auf Weisung Gottes. Und zigtausende Familienväter ließen trauernde Witwen und Waisen zurück. Wie wenn Gott keine andere Möglichkeit gehabt hätte.
Es bleibt die Frage, warum Gott so ausgesprochen grausam handelt, aber gleichzeitig für sich die vollkommene Liebe als Eigenschaft beansprucht.
Diese zwei gegensätzlichen Gesichter Gottes vertragen sich derart nicht, daß sich mein Bild von Gott aufgelöst hat. Denn es bleiben nur folgende Möglichkeiten:

a) Gott ist nicht existent, in einer Weise, die uns bekannt ist und die wir verehren können

b) Da Gott von sich auch sagte er sei unwandelbar muß er schizophren sein

c) Es gibt zwei verschiedene Götter, die aber von uns für einen Gott gehalten werden. Diese Möglichkeit führt aber zu a) , da der Gott der Liebe nach Jesu der gleiche sei, wie der Gott Moses.

Als praktizierender Christ ist es keine Option nur Teile der Bibel als wahr anzuerkennen und andere als schwere Übersetzungsfehler abzutun. Zumal die teile aus Mose gerade eben 10 der 11 christlichen Gebote enthalten, die somit ebenfalls an Gültigkeit verlieren würden (siehe 1.Gebot: Ich bin der Herr...). Der Aspekt der unendlichen Liebe Gottes (auch zu den Menschen) zieht sich ebenfalls durch das gesamte Neue Testament, und kann deshalb ebenfalls nicht als Übersetzungsfehler angesehen werden.
Voraussetzung:

Die Rolle der Bibel (In diesem Fall Altes Testament (im folgenden AT)

Du beziehst dich in deinen Aussagen auf die Bibel, in diesem Fall die einzige Quelle für diese Ereignisse. Was ist die Bibel (für dich)?
- Absolute Wahrheit (Verbalinspiriert, d.h. alles darin ist Tatsache)?
- Zeugnis der Gotterfahrung von Menschen, d.h. von menschen geschriebenes, unvollkommenes Buch?
- Geschichts- und Geschichtenbuch eines Volkes, das wir später als Israel kennen.?
- ...?

Für mich gilt: Die Bibel ist ein Buch, das von Hunderten von Menschen geschrieben wurde, die dort:
a) ihre Gotteserfahrungen verarbeiten.
b) ein identitätsstifendes Element suchen und schaffen (Das AT erzählt vom Werden, Entstehen und Existieren des Volkes Israel, aus dem später das Judentum wird). Viele Texte verarbeiten klassische Fragen der Religionsmythologie ( Wer schützt den Mensch? Was steht über dem Menschen? ...) und Antropologie (Woher kommt der Mensch? Was will der Mensch? ...) Fragen nach
c) Krisen und Probleme thematisieren (z.B. warum wurde Jerusamel
gezört und Gottes einziger Tempel? Warum ist das Volk aus dem "von Gott gegebenen Land" vertrieben worde? Hat Gott sein Volk alleine gelassen?...
d) Ein Geschichtsbuch: Die Geschichte des Volkes Israel (Einfach schematisch) geschrieben auf die Frage, die sich im 6Jh gestellt wurde: Wie ist die Geschichte unseres Volkes?
2-5. Buch Mose: Erwählung und Bund mit Gott
Josua: Das Volk erhält das Land von Gott
Richter: Die Zeit des Volkes ohne König aber mit Land
Könige: Die Zeit des Volkes mit König und Land
...
e) ein Geschichtenbuch. Viele Texte im At lesen sich wie Lagerfeuergeschichten (z.B. Simsongeschichte in Josuabuch (Der hatte unendliche Kraft, solange er lange Haare hatte,...), militärische Schlachtberichte, denen erst viel später theologischer Gehalt gegeben wurden,....
In die Verschriftlichung der Bibel wurden also auch Sagen, Annekdoten, Sprüche, Witze, Rätsel,... einfach alles tradierte (d.h. überlieferte) Kulturgut aufgenommen, die sich bereits die Vorfahren erzählten.

Das AT gibt also auch Auskünfte über Gewesen, Sein und Geschehen.

Das, was wir jetzt als AT in der Hand halten, d.h. die 39 Bücher des At, sind erst 1000 Jahre nach Christus so zusammen gefasst worden. (Codex Leningradiensis Vorsicht vor dem WEintrag, entspricht nicht mehr 100% der aktuellen Forschung)

Die ältesten Texte der Bibel sind ca aus dem 11Jh vor (Zu der Zeit haben die Ägypter schon 2000 Jahre Kultur hinter sich), das wohl jüngste Schriftwerk entstand um 125 (Prophetenbuch Daniel (Lässt sich sehr gut am Inhalt nachweisen). Dazwischen liegen 1000 Jahre entstehungsgeschichte und, was unendlich wichtig für das Verständnis der Bibel ist, mehrere Überarbeitungsschichten!!! Immer wieder wurden bestehende Schriften
a) Zusammengeschrieben.
b) Ergänzt
c) Korrigiert (d.h. Textstellen verschoben oder gestrichen
d) erweitert (Neue verse oder Wörter eingebaut in alte Texte,...)
e) ergänzt (Schriften einfach weitergeschrieben mit neuem Inhalt (Das Prophetenbuch Jesaia hat es so zu drei verschiedenen Schichten der entstehung geschafft: Protojesaia ist ca um 700 entstanden, Deuterojesaia (Kapitel 40-55) um 550 und Tritojesaia zwischen 400 und 200 vor. Drei Verschiedene Epochen (700 war Juda ein eigenes Königreich, 550 war man gerade im Exil, Jerusalem war zerstört worden, kein König mehr im Land (das war ein schwerer Schlag, hatte doch Gott, so die Vorsellungen ein ewiges Königtum versprochen) der Tempel verbrannt (Gigantische Katastrophe, denn nur im Tempel in Jerusalem konnte der religiöse Kult vollzogen werden, d.h. ohne tempel keinen Kult, ohne Kult, was wird aus der Beziehung zu Gott?),... rießen Identitätskriese also,... und um 300 ist Juda gerade von Alexander dem Großen überrannt worden und wird jetzt von den Diadochenkriegen erschüttert...), verschiedenen Autoren, verschiedenen Probleme, verschiedene Intentionen aber laut Bibel ein einziger Prophet.

Nur als Bsp: Im 4ten Buch Mose stirbt Mose,... redet aber im 5ten Buch nochmal. *g* Zaubertrick? Nope, literarische Intention, denn das 5te Buch Mose ist für das Judentum das wichtigste Schriftwerk und Mose der wichtigste Mann, da liegt es nahe, Mose das Werk unter zu jubeln. Vergleich man die hebräischen Texte mit einander, so wird man feststellen, dass das 5te Buch Mose von einer Person/einem Personenkreis verfasst war, der über
a) beachtliches Wissen und Bildung
b) einen gehobenen Worschatz und Grammatik
c) poetische Schreibausbildung und rhetorisches Know-How verfügte.
Das ganze Buch wurde von einem geübten Schreiber mit Buildung als Einheit verfasst, bzw aus verschiedenen Texten zusammen geschrieben und vereinheitlicht. Schaut man sich hingegen z.B. 1+2 Mosebücher an, wird man feststellen, dass hier ein anderer Schreiber, eine andere Zeit, weniger Gebildetete,... am Werk waren
So kommt man wissenschaftlich zu dem Schluss:
Mosebücher 1-2,4 sind verschriftlichte Sammlungen von Texten aus den Jahren 1100 - 700 vor. Das 5te Buch ist wohl in seinem Ursprung um 620 entstanden, jedoch in seine Form erst um 550 gebracht worden. das dritte Buch hingegen ist wohl erst um 400 entstanden.

Weitere Bsps? Dekalog (10 Gebote) Laut Geschichte der Bibel gab es die 10 Gebote am Berg Sinai. Es sollte noch 40 Jahre (eine biblische Angabe für eine Zahl, die unendlich lange bedeuten soll) dauern laut Bibel, bis das Volk sesshaft wird. Trotzdem sind die 10 Gebote eine Soziaordnung für eine Gruppe Menschen, die sesshaft ist, denn es wird von haus, Hof, Knechten, Feldern,... gesprochen...

Da gibt es noch tausende (wirklich tausende) von Bsps....

Wichtig(st)e Über/bearbeitung geschah um 550 vor, das sog. Deuteronimistische Geschichtswerk. Das Volk war in einer großen Krise (siehe oben) und stellte sich die Frage: Warum ist es soweit gekommen. Die Antwort des DtrG (Abjürzung fr Deuteronimistisches Geschichtswerk) war klar: Gott hat euch nicht verlassen, sondern ihr, das Volk, seid schon immer ungehorsam gewesen. Got/Propheten haben euch gewarnt, ihr wolltet nicht hören, jetzt habt ihr die Quittung. Unter diesem Aspekt kann man die Bibel so lesen. Die Geschichte zeigt: Es gibt eine Beziehung Gott Menschen
a) ohne König (Der wurde ja entmachtet und getötet) (Gott-Volk-Beiehung in Mosebüchern, Josua, Richter,...
b) ohne Land (Die Leute wurden ins Exil geführt, die daheimgebliebenen lebten als Untertanen unter den Babyloniern) (Gott Volk-Beziehung im Josuabuch, als erst die "Landnahme" begann,...)

Aber es gibt keine Beziehung Gott-Mensch ohne das Einhalten der Gesetze Gottes! Quintessenz des DtrGs.

Das alles ist leider nochmal deutlich komplizierter als ich es hier dargestellt habe, aber soweit habe ich mich hoffentlich klar ausdrücken können.

Historisch-kritisch gesehen ist die Bibel kein Zeugnis für das Wesen Gottes sondern alleine ein historische Quelle, die aber absolut unhistorisch ideologisch gefärbt wurde.

Daniels Fragen:
Zitat 2.Mose 20 Vers 2: "Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause, geführt habe." Dieser Gott stellt sich so selbst im ersten der Zehn Gebote vor. Auch Jesus Christus läßt dieses Gottesbild bestehen, fügt aber die Eigenschaften der unendlichen Gnade und Liebe hinzu.
Zwischen AT und NT liegen 1200 Jahre. Den Menschen im AT war es wichtig, eine gemeinsame Identität zu haben, die sich im AT als "Erwähltes Volk Gottes" darstellt, als das Volk, das Gott aus Ägypten führte (Historsich übrigens unglabwürdig). Es gab in diesem Gebiet hunderte von kleinen Kulturen und somit tausende an Göttern. Die Vorstellung des Monotheismus, d.h. das es nur einen Gott gibt, ist erst um 500 entstanden. Damals war JHWH (=Gott) ein Gott unter vielen, der sich Israel erwählt hat. Den Leuten damals war aber auch klar, dass es den Gott XYZ gibt, der sich die Nachbarn erwählt hat (man nennt das Henotheismus, d.h. man weiß, dass es viele Götter gibt, aber man wendet sich nur einem zu).

Jesus war 1200 Jahre später, die Textstelle, auf die du dich beziehst, ist aber so erst nochmal 100 Jahre später aufgeschrieben worden.
Nun das Problem: Als Moses mit seinem Volk in ägyptischer Gefangenschaft war, ließ Gott jede Erstgeburt (Mensch, Tier, Pflanze) töten, um den Pharao unter Druck zu setzen und ihn dazu zu bewegen, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu entlassen.

Dies tat der Herrscher Ägyptens, erkannte jedoch kurz darauf, wie irrational er gehandelt hatte. Sein gesamtes Heer nahm die Verfolgung auf und mußte auf Gottes Willen hin in den Fluten des Roten Meeres umkommen. Die Öffnung und Schließung des Meeres geschah ausdrücklich auf Weisung Gottes. Und zigtausende Familienväter ließen trauernde Witwen und Waisen zurück. Wie wenn Gott keine andere Möglichkeit gehabt hätte.
Es bleibt die Frage, warum Gott so ausgesprochen grausam handelt, aber gleichzeitig für sich die vollkommene Liebe als Eigenschaft beansprucht.
Diese zwei gegensätzlichen Gesichter Gottes vertragen sich derart nicht, daß sich mein Bild von Gott aufgelöst hat. Denn es bleiben nur folgende Möglichkeiten:

Zwischen diesen beiden Gottesvorstellungen - rachsüchtiger Gott - liebender Gott - liegen also knapp 1000 Jahre menschliche und gesellschaftliche Entwicklungsgeschichte. In 1000 Jahren kann viel geschehen (man vergleiche das Weltbild um 1000 nC und unseres).

Gott als Rächer und strafender Gott der Feinde ist eines der Gottesbilder im AT. Daneben finden sich aber auch Gottesbilder des "liebenden Vaters", "des fröhlichen Feiernden" (Bräutigams,... also duzende, unterschiedliche Bilder,... Die Bibel ist ein Buch, geschrieben von Menschen, die darin ihre Gotteserfahrungen, ihre Beziehung zu Gott und ihre Projektion Gottes kund geben, d.h. diese Textesind von Menschen geschrieben und verraten nichts über Gott, nur, wie man ihn erfahren hat, was man von ihm will.

Besagte Schilfmeergeschichte ist so nie passiert und ist wohl eine der Lagerfeuergeschichten, die irgend eine Gruppe mit in das Volk Israel brachte. Die Entstehung des Volkes Israel war keinesfall ein gemeinsamer Auszug aus Ägypten und ein Zug nach Palästina (Das wäre auch schwer gewesen, sich da 40 Jahre in der Wüste zu verlaufen, sind nämlich nur knapp 50 km, wenn man sich ganz blöd anstellt, ansonsten kommt man innerhalb eines guten Tages zu Fuss mit Ziegen, Kind und Kegel von der Grenze Ägytens nach Juda), die Entstehung des Volkes vollzog sich eher über Jahrhunderte hinweg und giederte hunderte von verschiedenen Gruppen in sich ein, die alle ihre Traditionen mitbrachten.
Besagte Exodustradition, also die Vorstellung, man sei als Unterdrückte aus Ägypten gekommen, brachte wohl eine Gruppe mit in den Sagenkranz und das etablierte sich. Warum ist "Gott so grausam". Gott ist nicht grausam, sondern die Menschen haben sich eine Geschichte erdacht, in der Gott dies macht. Warum macht er das so grausam?

a) Tiefenpsychologisch
Das Volk wurde vom Pharao ausgenutzt, misshandelt, unterdrückt und wie scheiße behandelt. Und dieses Wissen wurde an jede Generation weitergeben. Da ist es verständlich, dass man sich ein narratives Ventil sucht, um Luft ab zu lassen. Gott töten den Pharao und alle Unterdrüclkerschweine! Toll! Kennt man aus der Psychologie und jeder von uns hatte schon mal Gewaltfantasien.

b) Gott ist mächtig
Juda stand stets politisch und militärisch im Schatten Ägyptens. Einen Gott zu haben, der es Ägypten so richtig zeigen kann, wenn es sein muss, ist toll.

c) Götter als Machtwesen
Götter hatten im Alten Orient auch die Rolle des verehrungswürdigen Protektor (Schützenden/Beschtzers) inne. Da musste Gott massiv zulangen. Diese Rolle des Protektors übernimmt mit der Zeit der König und sein Staat, so dass ein Gott andere Asekte belegen konnte.

Das Gebot der Liebe ist 1000 Jahre später. Die Religion hat sich immens gewandelt. Gott wird nicht mehr als Leader des Volkes gesehen, der sich beweisen muss. Jesus offeriert im Namen Gottes eine Philosophie der Liebe. Hier wird es jetzt theologisch etwas kniffeliger für mich.

Der Rabbi (=Lehrer) Jesu bietet seine Version der Beziehung zu Gott. Um 70 nach Christus wurde der Tempel erneut zerstört und wieder gab es das Problem, das man schon 550 hatte. Man konnte den Kult nicht vollziehen und somit seine Beziehung zu Gott nicht Pflegen. Jesus war ein Jude, Christus wurde er erst später in der Überlieferung und Rezeption (Wahrnehmung) der Leute, die nach ihm gelebt haben.
Man kann auf keinen Fall – unreflektiert und vollkommen ätzend – sagen, dass der Gott der Liebe der christliche Gott, der der Gewalt der jüdische. Das ist schlichtweg falsch.

Fakt ist, dass sich die Wahrnehmung Gottes geändert hat, das Gebot der Liebe keine absolut direkte Offenbarung Gottes ist, sondern eher ein Weg, den uns ein Mensch gezeigt hat. [Hier gehe ich jetzt nicht weiter drauf ein – es sei denn, es gibt Fragen-, denn hier beginnt die Theologie und der Streit der Wissenschaftlichen Disziplinen.
a) Gott ist nicht existent, in einer Weise, die uns bekannt ist und die wir verehren können.
Husserl (Philosoph um 1920) sagt, dass sich Existenz dem Menschen nur durch Rezeption erschließt. D.h. nur was der Mensch mit in sein Leben einbezieht, existiert. (Stichwort Phänomenologie). Existenz ist also ein Begriff, der definiert wird durch allein menschliche Wahrnehmung. Da Gott nur erfahren werden kann, erfahren auf rein empirische Art und Weise (d.h. kein Mensch kann von Gott reden, sondern nur von der „Beziehung/Erfahrung von ihm zu Gott und Gott zu ihm“), können wir auch keine absoluten Aussagen über ihn machen. Somit existiert Gott nicht. Existenz ist ein menschlicher Begriff (s.o.). Deswegen glaube ich, Existenz rezipiere ich. *g*
Ein Gott, der als Gott des Ats erfahren wird, ist eine Erfahrung Gottes. Ein Gott, der als Gott des NTs (Liebe) erfahren wird, eine andere. Ich erfahre Gott anders als du, als der Papst, als mein Vater, als der Dalai-Lama, als ein Muslim, als ein Jude,...

Gottes Existenz liegt somit außerhalb unserer Erfassensreichweite.
Was heißt das für die Verehrung? Wenn jeder Gott anders erlebt, wie sollen wir da eine gemeinsame Basis für eine Verehrung finden? Der eine sagt: Gott will, dass ich alle Ungläubigen töte“, der zweite redet von Liebe, der dritte lebt in einem von Gott gegebenen, unsozialen Kastenwesen,... Kompliziert. Hier setzten meine Überlegungen am Begriff und an der Praxis/Usus der „Verehrung“ an. Aber dazu bei Interesse, ein anderes mal.
b) Da Gott von sich auch sagte er sei unwandelbar muß er schizophren sein
Hast du da eine Belegstelle, für die Aussage der Unwandelbarkeit? Bibel ist Menschenschrift, menschliche Rezeption. Man kann von Gott keine Aussagen machen.

Das führt mich zu der Frage, wie sich Gott erfahrbar macht? Auch schwere Frage.
c) Es gibt zwei verschiedene Götter, die aber von uns für einen Gott gehalten werden. Diese Möglichkeit führt aber zu a) , da der Gott der Liebe nach Jesu der gleiche sei, wie der Gott Moses.
Ich würde den Satz so vollkommen unterstreichen:
c) Es sind zwei verschiedene Gottesbilder. Ende
Diese Möglichkeit führt aber zu a) , da der Gott der Liebe nach Jesu der gleiche sei, wie der Gott Moses.
Diesen Schritt kann ich gar nicht nachvollziehen.
Menschliche Wahrnehmung macht einen menschlichen Gott mit menschlichen Attributen. Gott wird in menschliche Maßstäbe gedrückt. Wenn er nicht passt, wird er verneint. Gott ist außerhalb des Menschlichen, wo wäre sonst seine „Göttlichkeit“?

Als praktizierender Christ ist es keine Option nur Teile der Bibel als wahr anzuerkennen und andere als schwere Übersetzungsfehler abzutun.
DU SIEHST MICH SCHREIEN! ;) Diese Meinung teile ich absolut nicht. Bibel ist Menschenwerk, Menschen irren. Die Bibel ist vollkommen unlogisch, widersprüchlich, veraltet, erklärungsbedürftig,... die Bibel ist Menschenwerk und erzählt uns nichts über Gott. Das NT erzählt uns nur etwas darüber, wie Leute aufgeschrieben haben, wie ihrer Meinung nach Jesus Gott erfahren hat und sie gibt uns einen Verhaltenscodex. [Diesen Absatz muss ich demnächst relativieren und ausdifferenzieren, denn so 100% stimmt er nicht, aber das wird sonst extrem langwierig)

Zumal die Teile aus Mose gerade eben 10 der 11 christlichen Gebote enthalten, die somit ebenfalls an Gültigkeit verlieren würden (siehe 1.Gebot: Ich bin der Herr...).
Nur 11 Gebote in der Bibel? Du wirst alleine in den 5 Büchern Mose hunderte von Gesetzen finden. Thora heißt nicht umsonst Gesetz. Viele dieser Gebote sind jüdische Gebote und einem Christen unverständlich, viele dieser Gebote sind Kinder ihrer Zeit und ihrer Kultur (Speisegesetze dienen der Hygiene),... So leicht ist das alles nicht.
Der Aspekt der unendlichen Liebe Gottes (auch zu den Menschen) zieht sich ebenfalls durch das gesamte Neue Testament, und kann deshalb ebenfalls nicht als Übersetzungsfehler angesehen werden.
Gottesbilder. Gotteserfahrungen. Gottesprojektion. Rezeptionsästhetik (D.h. wie wir Got Wahrnehmen)...

Soweit dazu.

Dies soll aber noch der Platz sein, an dem ich mit einem kleinen Gerücht aufräumen möchte. Theologie ist sehr fordernd, Gott und Religion sind schwere Themen und stehen teilweise Einstein, hoher Mathematik in nichts nach. Glauben heißt nicht wissen. Glaube muss ständig hinterfragt werden, tut weh und ich verdammt anspruchsvoll. Nicht umsonst wird seit 1800 Jahren Theologie studiert. Philosophie, Philologie, Sprachwissenschaft, Geschichte, ... alles fließt mit in dieses Thema. Antworten zu finden ist mühseelig und schwer, klare Antworten auf die Fragen zu geben, teils noch mehr, da man sehr viel erklären muss. Theologie heißt nicht :“ Oh, du lernst die Bibel auswendig.“
Theologie ist, nachgewiesen, eine der Schwersten Wissenschaften, die es gibt, da es keine mathematische „Richtigkeit“ gibt, kein medizinisches Studienobjekt und Manual,...

Wer sich auf Theologie einlässt, muss damit leben, jahrelang ohne Antworten zu leben auf quälende Fragen.

Verfasst: Do Jul 21, 2005 12:43
von Daniel
Antonio Negri und Michael Hardt's Werk Empire ist auf englich als frei verfügbares PDF erschienen:
http://www.infoshop.org/texts/empire.pdf

Verfasst: Do Jul 21, 2005 12:47
von Daniel
Den überaus interessanten Artikel über Postmodernismus von Mary Klages (Übersetzung von Rainer Ebert) habe ich temporär mal hier hin verschoben:
http://glyphen.de/blog/17/postmodernismus/

Verfasst: Do Jul 21, 2005 13:04
von Vera
Daniel hat geschrieben:Antonio Negri und Michael Hardt's Werk Empire ist auf englich als frei verfügbares PDF erschienen:
http://www.infoshop.org/texts/empire.pdf
Auf Englisch? Das verstehe ich auf Deutsch schon nicht...

Verfasst: Do Jul 21, 2005 13:17
von Daniel
Vera hat geschrieben:
Daniel hat geschrieben:Antonio Negri und Michael Hardt's Werk Empire ist auf englich als frei verfügbares PDF erschienen:
http://www.infoshop.org/texts/empire.pdf
Auf Englisch? Das verstehe ich auf Deutsch schon nicht...
Das könnte mit Verlaub schon a bisserl schwieritsch werden... :crazyeyes: Aber hey, geschenkt ist geschenkt!

Durch die Textsuche lässt sich aber z.B. sehr leicht feststellen, daß das Wort "postmodern" im Dokument 270 (!) mal gefunden wird, was auch erklärt, warum ich das (Empire) hier poste. Ich bin der Meinung Empire gerade verstanden zu haben. Man muss nur den Utopismus-Artikel mit dem Postmodernismus-Artikel zusammenrühren und unter diesem Aspekt Empire nochmal überfliegen. Die sagen alle das gleiche, nur auf verschiedene Art und Weise.
Empire hat geschrieben:This is the point when the modern republic ceases to exist and the postmodern posse arises. This is the founding moment of an earthly city that is strong and distinct from any divine city.
[...]
We do not have any models to offer for this event. Only the multitude through its practical experimentation will offer the models and determine when and how the possible becomes real.

Verfasst: Do Jul 21, 2005 14:53
von DonJohnny
Du weißt schon das ich dein Buch immernoch habe?

Verfasst: Do Sep 29, 2005 11:51
von Daniel
Zwei Kernaussagen, auf die sich die Argumentation von Herrn Maser stützt:
Christoph hat geschrieben:- Bibel ist Menschenschrift, menschliche Rezeption.
- Man kann von Gott keine Aussagen machen.
Meine Argumentation stützt sich natürlich auf genau diese Prämissen. Ausformuliert wäre dies:
- Die Bibel ist ein von Gott gegebenes Werk zur Glaubensinspiration und -interpretation.
- Gott soll begreiflich gemacht werden, denn nur was begriffen werden kann, kann Existenz im Geist des Menschen erfahren.

Darf ich dann annehmen, daß für alle Glaubensrichtungen, die diese zwei Grundsätze haben, meine Argumentation (mit all ihren Folgen) schlüssig ist? Denn diesen 2 Argumenten folgend hast du keine Argumentation aufgebaut, und ich sehe in dieser Richtung, wie so oft, nur schweigen, welches ich als stille Akzeptanz wahrnehme.

P.S.: Es gibt übrigens einen neuen Artikel in meinem Blog mit dem Titel "Hare Krishna - Die Welt ist Klang".

Verfasst: Mi Okt 05, 2005 7:01
von Lhankor Mhy
Daniel hat geschrieben:Darf ich dann annehmen, daß für alle Glaubensrichtungen, die diese zwei Grundsätze haben, meine Argumentation (mit all ihren Folgen) schlüssig ist? Denn diesen 2 Argumenten folgend hast du keine Argumentation aufgebaut, und ich sehe in dieser Richtung, wie so oft, nur schweigen, welches ich als stille Akzeptanz wahrnehme.
Ähm, da bekomme ich als unbedarfter Zuschauer/Mitleser so ein wenig das TimeCube-Feeling (siehe TimeCube-Website und das TimeCube-Rollenspiel).

Was ich grundlegend an dieser Diskussion sehr (selbst)beschränkend finde, ist das Abzielen auf die Widerlegung der Existenz eines Gottes, wie ihn die heutigen, zeitgenössischen Christen (und vermutlich wohl auch die heutigen, zeitgenössischen Moslems und Juden) als zentralen Fokus ihres Glaubens auffassen.

Aber Gottheiten, ja einzelne, allmächtige, wie auch multiple Wesenheiten und Viele-die-doch-Eines-sind, beschränken sich ja nicht nur auf unseren mitteleuropäischen, christlich geprägten Kulturkreis.

Was soll denn das Herumargumentieren an heute existierenden Buchtexten der einen oder anderen (von wirklich vielen unterschiedlichen) Bibelausgabenn bringen? Welchen Stellenwert haben denn Aussagen oder gar Beweise anhand von Bibeltexten, die für eine Hindu, einen Taoisten, einen Shintoisten, etc. KEINERLEI Relevanz haben?

Wenn es um den Gottesbeweis bzw. die Möglichkeit der wortgewaltigen Widerlegung der Existenz eines Gottes (oder gar ALLER Götter!) geht, dann muß ich schon sagen, daß sich daran andere bereits die philosophischen Zähne ausgebissen haben. Mir noch halbweg präsent ist Kants Ansatz in seinen Theodizee-Schriften, in denen - trotz der "Vernunft", deren Vertreter auch Kant ja war - das Ergebnis letztlich unbefriedigend ist (und - hier meine sehr wenig vernunftgetriebene, aber dafür tief empfundene Meinung - auch sein MUSS).

Man vergleiche dazu mal einen Kulturkreis, mit dessen spirituellen Werten ich mich seit über der Hälfte meines Lebens aktiv auseinandergesetzt habe. Dieser Kulturkreis ist historisch gänzlich unberührt von einer europäischen Aufklärung, von Ratio mit der man alles Analysieren will und auch können soll(!). Eine Kultur, in der das ewige "Warum?" und "Wie funktioniert das im Detail?" und "Beweise mir, daß es geht!" Fragen und Auffordern schlichtweg nicht vorkommt, die ist durchaus anders, als unsere europäische Kultur, und doch müßten Gottesbeweis bzw. Gottesexistenzwiderlegung eigentlich auch für Kulturen gelten, die weder Bibel noch Den Einen Wahren Gott (tm) kennen, oder?

Ich nehme mal an, daß die Diskussion auf der Basis des Christentums und der zur Zeit leicht zugänglichen religiösen Schriften dazu zu beginnen, eine leicht verständliche Brücke in die Diskussion für Menschen aus unserem Kulturkreis darstellen sollte. Doch was mich offengestanden an dem ewigen Herumreiten auf einem aus unterschiedlichsten Gründen zusammengestellten, hin- und her-übersetzten religiösen Text stört, ist die Sinnlosigkeit allen Argumentierens anhand der Bibel.

Nur die irre sabbernden Fanatiker der Zeugen Jehovahs und ähnlicher aus dem Maul schäumender "Wahrer Gläubigen (tm)" behaupten doch überhaupt nur, daß die Worte in der Bibel allein die Wahrheit seien und so wortwörtlich, wie sie darin stehen, auch genommen werden sollen. Daß dies Unfug ist (vor allem, da es sich auf die Zeugen-eigene dubiose Übersetzung von ausgewählten Bibeltexten in einer "sektengerechten Fassung" bezieht), dürfte jedem auch ohne lange Diskussionen klar sein. Aber irgendwohin müssen ja die abgedrehten Spinner gehen können, und so kann die Existenz der Zeugen allein ja durchaus ein Wirken Gottes sein.

Und hier wird es interessant: man nehme einmal einen - zugegeben nicht unumstrittenen - christlichen Mystiker wie Meister Eckhard. Und dann nehme man ein Buch, welches als Buch der Wandlungen, als das Yi Jing (auch als I Ging umschrieben) bezeichnet wird und - allen meist westlich motivierten Textanalysen nach - verdammt scheißalt, älter auf jeden Fall als der meiste Kram, der von einem unbedeutenden, aggressiven Hirtenvolk im Nahen Osten verfaßt wurde, ist.

Das interessante an der Mystik ist dabei, daß es hier um Gotteserfahrung geht. Nicht um Beweise, Analyse, das "Warum?". Im Rahmen von Spirituellem Materialismus (vor dem auch Taoisten oder Buddhisten nicht gefeit sind) könnte es gerade noch um das "Wie?", also um die Wege, die Weisen, die Methoden und Techniken zur Gotteserfahrungsherstellung gehen. Aber nicht um den grundsätzlichen Zweifel an der Existenz von etwas, daß auf eine Art erfahrbar ist, welche den Menschen an den Urgrund seiner spirituellen Existenz führt.

Man kann das "Gott" nennen. Oder das "Tao". Oder "Sanshin". Oder....

Was mich wirklich beeindruckt hatte, als ich über eine Biographie von Meister Eckhard gestolpert bin, war dessen Art. Seine Art von Gott und den Menschen zu reden (ja, zu reden, da das meiste an erhaltenem deutschsprachigen Material aus Predigten besteht - neben ein paar Traktaten). Mir kam diese Art bekannt vor. Mir kamen die Bilder bekannt vor, die er in seinen Predigten verwandt hatte. - Und ich war mir sicher, daß er KEINEN Kontakt zu chinesischen Taoisten, die weit über 1000 Jahre vor ihm gelebt haben, hatte haben können (ernstlich: ich glaube nicht, daß er deren Geister beschworen haben wird. Und falls doch, so hätte er einen 1200 Jahre alten chinesischen Dialekt verstehen können müssen.).

In einer gänzlich UN-christlichen Zeit (zwangsläufig, da es zu dem Zeitpunkt weder Jesus Christus auf Erden, und somit auch keinen christlichen Gottesbegriff gab, das Judentum eine SEHR räumlich beschränkt stattfindende Sache eines einzelnen inzwischen nicht mehr nur Hirtenvolkes im Nahen Osten war, und man nicht einmal virtuell so etwas wie die zukünftige Entstehung des Islams erahnen konnte), da hatten Leute, die im Kern ihres Weltbildes unreligiös waren, Vorstellungen von der Welt, vom dem was Gut ist, was Schlecht ist, was sein sollte und was man meiden sollte. Das war ein Welt- und ein Wertebild. Und dieses schloss ganzheitlich - wobei man sich diesen Begriff mal auf der Zunge zergehen lassen sollte - das schloss GANZHEITLICH einfach ALLES mit ein. Alles? Ja, alles.

Somit auch die spirituellen Belange der Menschen.

Und aus diesem Gedankengebilde entstand eine Form. (Dies ist der eigentliche Bedeutungsinhalt von "Information" übrigens.) Diese Form wurde mündlich vermittelt, wurde schriftlich abgebildet (und wie jeder Abbildung, ging dabei Information, d.h. wesentliche Teile des Originals, verloren).

Eine Abbildung ist das Dao De Jing (Der Klassiker vom Dao und dessen Wirkkraft - merke: "wirken" steckt hier drin => vgl. das "Wirken" Gottes.)

Keiner versteht das Dao De Jing. Dieses Buch, welches einem gewissen Lao Tsu - dem alten Meister - zugesprochen wird. Man streitet sich - ganz analytisch - darüber, ob Lao Tsu überhaupt eine historische Person war und ob diese dann das alles hätte tun können, was die Legende sagt, daß Lao Tsu getan haben soll. (Vgl. Jesus von Nazareth, historische Person, zugesprochene Taten und analytischer Beweis derselben.)

Somit weiß man nicht, von wem dieser Text, den man heutzutage als Dao De Jing kennt, nun wirklich geschrieben wurde. Man weiß auch nicht gerade viel von der Person, die als mutmaßlicher Autor dieses Textes gehandelt wird.

Wird dadurch der Textinhalt jetzt ungültig. Wird das eigentliche Abbild dessen, was in Worten als Dao De Jing "informiert" wurde, nun unwahr?

Dieser Text hat NICHT den Stellenwert eines religiösen Textes, auch wenn es religiösen Taoismus - sehr spät durch Verschmelzung mit schamanistischen Volksreligionsvorstellungen entstanden - durchaus gibt. Dieser Text wird gleichermaßen von einem philosophischen Taoismus als Grundlage angesehen, wobei diese Form des Taoismus OHNE JEGLICHE GOTTHEITSVORSTELLUNG auskommt.

Ist das ein Widerspruch?

Ich finde nicht.

Die Materie, die im Dao De Jing umschrieben wird, ist das Dao. Das kann man unter anderem als "der Weg" übersetzen. Der Weg an sich ist grundsätzlich nie verstehbar und nie definierbar. Die Unverstehbarkeit und Undefinierbarkeit ist eine intrinsische Eigenschaft des Weges an sich. Somit ist jeglicher Versuch das zu definieren, was der Weg ist, von vorneherein fruchtlos. Trotzdem kann man es versuchen. Wie es ja auch im Dao De Jing getan wird - und im gleichen Text auch wieder als unmöglich dargelegt wird.

Aber das Dao De Jing handelt ja nicht nur vom Dao, sondern auch vom De, der Wirkkraft des Dao. Diese ist durchaus erfahrbar und über diese läßt sich konkreter reden.

Vergleiche ich dies mit den Originaltexten von Meister Eckhard, so fallen mir wirklich erschütternde Parallelen in den Gedankengängen, in den Konzepten, in den Bildern, mit denen er versucht das Unverstehbare dem Leser/Hörer zugänglich zu machen, auf. Und hier wird von Gott, vom Seelengrund, vom sich ständig neu gebärenden Gott, einem nicht statischen, sondern stetig und doch unsteten Gott gesprochen.

Wenn ich aus meinem ganz persönlichen Blickwinkel, der geprägt von Taoismus und - ein wenig - Christentum ist, wenn ich mit meiner grundsätzlich als charakterlicher Schwäche vorliegender Dauertiefenanalyse von allem, was mir unter die Augen kommt, die Argumentation zur Gottesexistenz oder besser der Nicht-Existenz eines Gottes lese, dann wundert mich das schon alles ein wenig.

Hier wird in der rationalen Denkweise des aufgeklärten Abendlandes argumentiert, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Denkweise einmal zu hinterfragen. Zu überlegen, ob vielleicht die Rationalität selbst nur eine Illusion ist und Wahrheiten garnicht rational erfahrbar sein können, wenn es wirkliche Wahrheiten sind.

Bevor man ein Werkzeug, wie hier die Textanalyse an einer Bibelübersetzung, anwendet, sollte man sich über die Tauglichkeit der Methodik zuerst einmal Gedanken machen. Ich hege hiermit offen Zweifel daran, daß die Fragestellung zur Gottesexistenz überhaupt mit denselben Methoden analysierbar ist, wie andere, überschaubarere Fragestellungen, bei denen man ja den Lösungsraum bereits vergleichsweise eng abstecken kann, in dem Moment, wo die Frage geäußert wurde. Bei der Frage nach der Existenz oder gar der Beschaffenheit Gottes, eines Gottes, des Nirvana, des Dao, ... ist die Methode jedoch ungeeignet, da sie den potentiellen Lösungsraum garnicht erfassen kann. Der Lösungsraum ist nämlich in seinen Eigenschaften einer analytischen Vorgehensweise verschlossen. Wäre er das nicht, dann wäre er ja nicht der Lösungsraum für die Frage nach Gottesexistenz oder ähnlicher Fragestellungen.

Man kann es sich natürlich einfach machen und zuerst in analytischer Weise vorgehend definieren, was man selbst unter "Gott" versteht. Dann nimmt man seine eigene Definition (die auch aus den Ergebnissen eine textuellen Analyse von Literatur - z.B. der Bibelübersetzung einer aktuellen Glaubensrichtung - entstammen kann) und läßt darauf dann seinen gewohnten Mechanismus zu Lösungsraumfindung los und kommt dann auf "Ergebnisse". Was die wert sind, das sollte einem bei dieses Vorgehensweise durchaus klar sein: Leider nicht genug.

Das Undefinierbare einfach "herunterzudefinieren", auf daß es handhabbar wird, ist ein systematischer Fehler, aufgrund dessen alle Ergebnisse, die eine noch so aufwändige argumentative Analyse erbringen mag, leider zwingend falsch sein MÜSSEN.

Diese Vorgehensweise benutzt man in den Naturwissenschaften oft, da man dort vereinfachte MODELL-Vorstellungen einsetzt, die zwar nicht unendlich genaue, sondern mit systematischen Fehlern behaftete Ergebnisse bringen, doch sind diese Ergebnisse GENAU GENUG(!). Genau genug, um die aktuell erreichbare Meßgenauigkeit der Geräte zu erreichen. Genau genug um zuverlässige Voraussagen über das Verhalten der untersuchten Systemen unter gegebenen Systemparametern treffen zu können.

Nur, was ist GENAU GENUG, wenn es um das System "die gesamte Welt" geht und dort der Untersuchungsfokus auf der Existenz eines Objektes namens "Gottheit" geht?

Wenn man rational an diese Fragestellung herangeht, dann ist man nicht nur farbenblind, sondern blind, taub und gefühllos und versucht dann Memory zu spielen.

Hier hilft nicht die ANAlyse, die alles nur solange zerlegt, bis aus einem Ganzen nurmehr Teile übrigbleiben, die nicht mehr daran erinnern, was das Ganze wirklich ist, sondern hier hilft nur eine Sicht auf ALLES ZUGLEICH.

Eine Sicht ohne Unterscheidung, ohne Wertung, ohne Trennung. Eine Einheit über der Vielheit. - Wer diese Einheit wirklich erfahren kann, der sieht mehr als andere. Das ist der spirituelle Ansatz bei dieser Frage. Und das Ziel ist nicht eine Antwort zu bekommen, da dies ja bedeutet, daß man die Frage und die Antwort trennen muß. - Das Ziel kann nur sein sich ohne Ziel mit Frage, Antwort und allem anderen zugleich zu befassen und zu erkennen, zu erfühlen wie alles IST. Alles gleichermaßen gültig. Keine Trennungen, die einen nur weg vom Erkennen und hinab in enge Richtungen führen.

Das ist EIN Weg. Und der ist sogar ein sehr individueller. Für jeden Menschen ein eigener. Das ist zumindest die Basis der taoistischen Spiritualität, aber wenn ich mir - lange ist es her - christliche Bilder, die Gott als "den Weg" bezeichnen, oder "Christus (= Gott) ist der Weg", dann kann ich das heute viel besser verstehen, als früher. Es ist tatsächlich für die Menschen, denen Gott ein Weg ist, dies IHR Weg.

Daher ist es relativ sinnfrei sich zu ereifern nachzuweisen, daß der persönliche Weg von manchen Menschen nicht existent sein kann. Was sollte denn dieser Nachweis bewirken? Sollen diese anderen Menschen nicht mehr die Freiheit haben ihren eigenen Weg zu suchen und zu finden? Muß die rationale Analyse stattdessen der "eine wahre Weg (tm)" sein?