Vera hat geschrieben:Was sind denn Filmoiden? Ein Tippfehler oder ein Schimpfwort?
"-oid" bedeutet soviel wie "ähnlich" - im konkreten Fall sind damit Produkte der US-Filmindustrie gemeint, die einem richtigen Film täuschend (aber nur auf den ersten Blick) ähnlich sehen. Also weder Tippfehler noch Schimpfwort, sondern exakte Beschreibung des betreffenden Subjekts.
Vera hat geschrieben:Matrix ist bestimmt kein philosophisches Meisterwerk der Filmkunst, obwohl es vom gemeinen Volk wohl dazu aufgebauscht wird,...
Nicht nur das gemeine Volk sondern insbesondere die intelligenz-abstinente Journaille fängt im Zusammenhang mit Matrix von hochfliegenden "philosophischen" oder "gesellschaftskritischen" Perspektiven in der [Lach!]Handlung[/Lach!] zu berichten an (nachdem sie sich solche Begriffe wie "philosophisch" und "gesellschaftskritisch" wahrscheinlich von der Putzfrau haben erklären lassen). Ich habe wirklich nichts gegen reines Unterhaltungskino, an das man auch nicht mehr Erwartungen stellen wird, als ein paar unterhaltsame Stunden erlebt zu haben. Wenn jedoch Matrix als die Heilsverkündung des aktuellen Jahrtausends aufgebauscht wird, muß jemand dafür brennen! Da es aber in unserer Republik nicht so einfach ist das moralisch Richtige mit Feuer und Schwert zu verbreiten, habe ich den Anderen Weg gewählt und zumindest vor der Gefahr gewarnt.
Vera hat geschrieben:aber Action Filme mit hübschen Hauptdarstellern (Keanu Reaves, Brad Pitt oder (früher) Bruce Willis) und knackigen Special Effects sind doch ein schöner, kurzweiliger Zeitvertreib.
Das Empfinden ob des Aussehens der Darsteller ist natürlich Geschmackssache - die in keinster Weise vorhandenen schauspielerischen Fähigkeiten solcher Gesichtsgelähmten wie Keanu Reeves hingegen sind insbesondere durch das Auf- und Ab-Wiederholen der Making-Of-Filmchen und von Interviews und nicht zuletzt auch der Handy-Werbung mit den Linearen-Algebra-Helden im Fernsehen kein Spaß mehr, sondern versuchte Körperverletzung. Wenn aber eine versteinerte Fresse plus Sonnenbrille mit Coolness verwechselt wird, ist dringlich der Besuch beim Geschmacksberater des Vertrauens anzuraten, da nur professionelle Hilfe Schlimmeres verhindern mag.
Eine Erklärung zur Intensität meines Angekotztseins bezüglich Matrix:
Ich kenne noch das Original-Buch "Simulacron Drei" und die darauf basierende Verfilmung durch R.-W. Faßbinder unter dem Titel "Welt am Draht". Dieser Film - Ende der Sechziger/Anfang der Siebziger entstanden - ist natürlich heute von der filmtechnischen Seite nicht mehr aktuell, hat jedoch im Gegensatz zu Matrix die inhaltliche Tiefe des Buchs wesentlich besser (nämlich besser als garnicht!) erfaßt. Auch ein aktuellerer Film - "13th Floor" - befaßt sich mit Teilen dieses Stoffes, ist dabei auch nicht so Special-Effects-überladen.
Was bei Matrix wirklich wesentliche störend ist, ist die vollkommen
schwachsinnige Hintergrund-"Geschichte". Geht es bei der "Welt am Draht" noch um eine Computer-Simulation einer Gesellschaft, bei der den Simulations-Objekten überaschenderweise für die Programmierer der Simulation bewußt wird, daß sie in einer Simulation sind, was völlig neue ethische Konflikte gerade auch bei den Programmierern auslöst (ein leblosen Programm kann man einfach umschreiben oder löschen, aber ein Programm mit Bewußtsein? Plötzlich wird eine technische Frage zu einer ethischen Frage.). Bei der ersten Heimsuchung durch die Matrix geht es in der Simulation jedoch darum Menschen ruhigzustellen, die als [Hysterie!]Batterien[/Hysterie!] von überkandidelten Konservenknilchen benutzt werden. Wenn das nicht Scheiße pur ist, was dann? Schon mal was von Wirkungsgrad gehört? Warum nicht einfach Rindviecher nehmen, denen man nur eine grüne Wiese zur Ruhigstellung simulieren muß? Warum überhaupt Energie aus lebenden tierischen Organismen ziehen? Hier ist wirklich die Frage nach dem Wirkungsgrad angebracht und nach der Gesamt-Energiebilanz. Wenn man derart komplexe technische Einrichtungen braucht, um Menschen am Leben zu halten, sie mental vor dem Wahnsinn zu bewahren und eventuelle Ruhestörer zu überwachen und zu beseitigen, dann sind die fixen Aufwände dafür derart immens, daß ein Mensch mindestens soviel Energie am Tag abgeben müßte, wie ein Schneller Brüter in Frankreich. An der Stelle im ersten Teil von Matrix, an der dieser Hintergrund offenbart wurde, habe ich mir damals im Kino ernstlich überlegt, wie ich mein Eintrittsgeld wieder zurückbekommen kann. Ich fühlte mich bereits als Primat beleidigt von solch einem Unfug, den man sich nur ausdenken kann, wenn man keinen Respekt mehr vor der Intelligenz seiner Zuschauer hat. (Peinlicherweise verdient die Mehrzahl der Zuschauer augenscheinlich keinen Respekt, da sie ja wohl mit der "Handlung" und der "Philosophie" der Matrix-Filme zufrieden sind.) Ich bin ja prinzipiell bereit für einen reinen Unterhaltungsfilm eine Menge blödsinniger Hintergrundgeschichten zu akzeptieren. Bei Filmen wie den X-Men hat sich auch kein Drehbuchautor von einer wie auch immer intelligenten Seite gezeigt, doch bleibt bei X-Men Teil 1 und 2 der Brechreiz aus. Warum nur? Weil man hier wenigstens nicht so tut, als hätte man sich was dabei gedacht. In solch einem Fall kann man sich zurücklehnen und das Annehmen, was einem präsentiert wird, ohne sich zu ärgern (auch wenn X-Men 1 u. 2 keine gute, sondern eher mittelmäßige Unterhaltung darstellen).
Mich ärgert vornehmlich, daß es sich essentiell um einen geklauten Stoff handelt, der verstümmelt und verflacht und vom Hintergrund her pervertiert dargeboten wird. Mein Anliegen mit meinen Äußerungen hier im Forum ist vornehmlich die Aufmerksamkeit mal von den poppigen Äußerlichkeiten hin zu dem (fehlenden) Inhalt von Matrix & Co. zu lenken. Das ist das, was ich in Anlehnung an ein chinesisches Wort der Kritik als "Hohles Gestell" bezeichnet habe. Es wurden (und werden) Filme produziert, die vielleicht nicht 80% des Budgets in Special-Effects gesteckt haben, aber dem eigenen Denken echte neue Anstöße geben. Solche Filme zu kennen ist vor allem in Bezug auf Rollenspiel von Vorteil, da sie einem Ansichten mit Ecken und Kanten vermitteln können, statt so glatt wie ein Zäpfchen reinzugehen und sich in Sekunden in übelriechenden Ausfluß zu verwandeln.
Ich bin ja mal gespannt, wie ihr den zweiten Teil der Matrix empfindet.