Richard Morgan
Heiliger Zorn (Woken Furies)
Im dritten Teil der Serie um den Zukunftssöldner
Takeshi Kovacs kehrt die Handlung auf Kovacs' Heimatplaneten Harlans Welt zurück.
Morgan leitet den Roman mit dem typischen Erwachen aus der Einlagerung (wir erinnern uns - die Persönlichkeiten von Menschen mit genügend Geld oder besonderen Fähigkeiten werden in Datenspeicher geladen, können über interstellare Distanzen "gefaxt" werden und in "leere" Körper sog. Sleeves hochgeladen werden, die wiederum besondere Fähigkeiten haben können).
Kovacs neuer Körper ist ein teures Kampfmodell und er findet sich in Diensten der Ersten Familie (deren Oligarchie er eigentlich verabscheut) seiner Heimatwelt wieder, nachdem er lange Zeit weg war. Sein Job soll es sein, einen gefährlich cleveren Terroristen zu schnappen, der dabei ist eine längst vergangene Revolution wieder zu beleben - dieser Terrorist ist er selber...
Dann wechselt die Perspektive zu
Underdog-Kovacs, der einen Kreuzzug gegen eine neue Religion führt und dabei mal wieder einer schönen Frau begegnet, die er retten muss, wobei es zu Toten unter den lokalen Yakuza kommt... ergo muss er untertauchen.
Mit dieser Frau und ihrem Hardware-Bergungsteam geht er auf den Kontinent, wo genau oben genannte Revolution vor dreihundert Jahren ihr trauriges Ende fand.
Intelligente, selbstreparierende Waffensysteme machen diesen Kontinent unbewohnbar, was nun geändert werden soll.
Hartnäckig hält sich unter den Nachkommen der Rebellen das Gerücht, dass eine Persönlichkeitskopie der Revolutionsführerin existieren soll.
Wer findet nun diese vermeintliche Kopie?
Genau! Die gerettete Frau ist nämlich ein sog. Kommandokopf, die mit mobiler Datentechnik vollgepackt ist, aber leider offenbar eine Virenattacke abbekommen, in der diese Persönlichkeit drin war... und der Bürgerkrieg geht wieder los.
Mehr will ich nicht spoilern...
Die spannenden Grundideen, zwei unterschiedliche Kovacs' aufeinander treffen zu lassen und die Frage, ob eine Propagandaemulation eines Menschen, die sich für echt hält und die dreihundert Jahre Entwicklung verpasst hat, den Erwartungen gerecht werden kann, die an eine Legende gestellt werden, opfert
Morgan leider überbordender Action und wilden Kopulationen.
Selbst wenn er auf den letzten hundertfünfzig Seiten noch den zweiten, "bösen" Kovac zu Wort kommen ließe und das KI-Konstrukt der Revolutionsführerin überraschende Erkenntnisse und Taten auffahren würde, die bisherigen fünfhundertdreißg Seiten waren
nur routinierte Transhuman-Action, die auch die beiden Vorgänger bereits kennzeichneten.
Entweder bin ich schon mit seiner Art zu erzählen zu vertraut oder aber er hat die Kampfsequenzen zugunsten der Sexszenen vernachlässigt.
Die
deutliche Bildhaftigkeit der Kämpfe, die man fürs RSP ausschlachten könnte, erreicht er für mich nicht mehr.
Einige nette Ideen, wie ein Wiederaufbau nach einem Schlagabtausch mit intelligenten Waffen aussehen kann, sind das Beste an diesem Buch.
Mich stört die unverhohlene Selbstjustiz des Supersoldaten Kovacs
(sowie dessen inkonsequente Schilderung - zwischen Gutmensch und Soziopath), der Mangel an Thematisierung der maßgeblichen Ideen des Buches (wo beginnt und endet Persönlichkeit/Identität, was bedeuten Tod und Zeit in einer solchen Gesellschaft, wie beständig sind revolutionäre Ideologien in ihrer eigenen Zukunft), die Morgan ja durchaus bewusst sind.
Leider zugunsten von Sex & Violence verschenkt.
4,5 von 10 marsianischen Artefakten (die es nur für den Frachterkapitän und den fragwürdigen Ausbruch hinsichtlich von Selbstbestimmung gab)
P.S: ich bin geneigt Christoph zuzustimmen, dass Morgan selber Rollenspiele spielt, da sich die Geschichte wie ein eher mäßiges THS/CP-Szenario liest.